Wachstum durch Zukäufe – Kleinunternehmen kaufen

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In den letzten Jahren sind in der deutschen Digital-Szene Zukäufe als zusätzlicher Wachstumstreiber immer populärer geworden. Dabei gilt es grundsätzlich zu unterscheiden, ob ein vollwertiges Unternehmen oder lediglich ein Projekt mit wenig Organisationsstruktur übernommen wird. Viel Literatur gibt es zum erstgenannten Teil. Erfahrungsberichte rund um die Übernahme von Projekten bzw. kleinen oder Kleinstunternehmen finden sich eher selten. 

Bei FLEX Capital ist Wachstum durch Zukäufe eigentlich immer ein Hebel, den wir uns intensiv anschauen. Explizit geben wir bei der Auswahl der Targets keine Mindestgröße vor. Reichweitenstarke Blogs zur Erweiterung des Marketing-Mix oder nischige Software-Bausteine, die von einem/einer einzigen EntwicklerIn betrieben werden, kommen dabei ebenso in Betracht wie Liebhaber-Projekte, die bisher keine Umsätze erwirtschaftet haben oder Projekte, die aus der Studienzeit der InhaberInnen stammen und heute nur als kleiner „Geldautomat“ betrieben werden. 

Als Unternehmer habe ich diese Strategie zuvor selbst vielfach erprobt: Mit Absolventa haben wir praktikum.info, azubi.de und die (allerdings etwas größere) Firma Trendence übernommen. Von einem ehemaligen Praktikanten durften wir Monteurzimmer.de erwerben, dass wir später durch den Zukauf von Pension.de zu einer Gruppe ausgebaut haben. Den Mehrheitsanteil von Labelfinder.com konnten wir von zwei Unternehmern im Rentenalter übernehmen. 

Dabei haben wir immer wieder sehr ähnliche Situationen erlebt, die ich an dieser Stelle teilen möchte.

Ansprache von Kleinunternehmen

Regelmäßig haben wir beobachtet, dass die EigentümerInnen kleinerer Projekte es potenziellen InteressentInnen sehr schwer machen, sie zu kontaktieren, indem sie ihre Kontaktdaten so gut wie möglich verbergen, weil sie es vermeiden wollen, Supportanfragen von NutzerInnen zu bekommen. 

Entsprechend ist etwas Kreativität und Hartnäckigkeit geboten: Xing, LinkedIn, ein persönlicher Brief an die Impressumsadresse etc. Oftmals haben wir erst im dritten oder vierten Anlauf tatsächlich mit dem/der EigentümerIn sprechen können. 

Hat man den/die EigentümerIn am Telefon, wird es manchmal schnell skurril: „Bitte sagen Sie mir einfach direkt einen fixen Kaufpreis für meine Plattform. Sonst brauchen wir hier gar nicht weitersprechen. Finanzkennzahlen kriegen Sie von mir natürlich erst mal nicht. Da könnte ja jeder kommen. Vielleicht wollen Sie mich nur ausspionieren!“ So oder so ähnlich habe ich das mehr als einmal erlebt. Ohne tiefergehende Informationen zum Asset ist die seriöse Nennung eines Verkaufspreises natürlich nicht möglich. Sagt man das aber so, ist das Gespräch direkt zu Ende.

Das erste Angebot 

Entsprechend haben wir meistens ein Angebot via E-Mail formuliert, das eine ganze Reihe von Vermutungen beinhaltet hat: „Ich schätze, Sie haben X BesucherInnen auf der Seite und ca. X KundInnen. Gemäß der Preisliste kann ich mir einen Umsatz von X vorstellen. Entsprechend liegt der Umsatz wahrscheinlich grob zwischen X und X. Wenn Sie mit einer Marge von ungefähr X arbeiten, bleibt ein Vorsteuergewinn von X hängen. Wenn das in etwa die Rahmenparameter Ihres Geschäfts sind, sind wir bereit dafür einen Preis von ca. EUR X Mio. zu zahlen.“ 

Meine Empfehlung ist übrigens, die initialen Schätzwerte für die Parameter des Zielunternehmens und damit auch den vorgeschlagenen Kaufpreis etwas höher anzusetzen, als man tatsächlich vermutet. So zeigt man dem/der VerkäuferIn, dass man über die finanziellen Mittel verfügt, einen guten Preis zu zahlen – es müssen eben nur die Parameter stimmen. Mit schwächeren Unternehmenszahlen reguliert sich der Wert dann im Laufe der Gespräche von allein nach unten. In jedem Fall hat man so aber die erste Hürde genommen und der Fisch hängt vielleicht schon am Haken.

Marktpreise für Kleinunternehmen

Für kleine und Kleinstunternehmen gibt es faktisch keinen liquiden Markt. Daher kann ein Marktpreis auch nicht vernünftig ermittelt werden. Faktoren wie das EBITDA zur Wertermittlung sind wenig hilfreich: ein kleines Softwareprojekt mit EUR 200.000 Umsatz und EUR 150.000 EBITDA, bei dem die beiden GründerInnen ohne Geschäftsführergehalt rund um die Uhr arbeiten, ist sicherlich keine 8 bis 12x EBITDA wert. EBITDA ist hier schlichtweg kein logischer Bewertungsmaßstab. 

Am Ende spielt diese Diskussion für VerkäuferInnen solcher Firmen auch selten eine Rolle. Regelmäßig haben Sie eine Zahl im Kopf, die sie mit dem Verkauf erlösen wollen. Bei kleineren Projekten ist die häufigste Antwort, die ich gehört habe: „Ich will mindestens EUR 1 Mio. für mich privat erlösen – natürlich nach Steuern!“.

Als KäuferIn bleibt einem dann oft nur den Synergie-Case durchzudenken, um auf dieser Basis zu überlegen, ob der genannte Preis zu rechtfertigen ist. 

Datenlage und Due Diligence

Bei nahezu allen Übernahmen, an denen ich beteiligt war, war die Datenlage katastrophal und eine seriöse Due Diligence nicht möglich. Darüber hinaus sind die KleinunternehmerInnen es auch nicht gewohnt, lange Fragenlisten zu erhalten und zeigen dementsprechend nur sehr wenig Verständnis. 

Wenn der/die KäuferIn eine Due Diligence durchführen möchte, wie sie bei größeren Deals selbstverständlich ist, ist das aus meiner Erfahrung der sichere Tod eines Deals mit dem/der EigentümerIn eines Kleinunternehmens. Gleiches gilt im Übrigen für ein umfangreiches Garantieregime im Kaufvertrag. 

Abschlüsse der letzten 3 Jahre, die aktuelle BWA und SuSa, Zugang zu Google Analytics sowie die Analyse der Kundenentwicklung müssen meistens reichen, um einzuschätzen, ob und zu welchem Preis ein Deal sinnvoll ist.

Gleichzeitig führt dies alles aber auch dazu, dass institutionelle Interessenten für diese Targets ausscheiden. Für eine/einen institutionelle/n InvestorIn ist eine ordentliche Due Diligence schließlich absolute Voraussetzung für ein Investment. Für KäuferInnen, die mit dieser Situation umgehen können, ist das daher ein Vorteil: Es gibt schlicht weniger Wettbewerb bei diesen Assets.

Verhandlungsprozess mit Kleinunternehmen

Aufgrund der geringen Attraktivität der Deals für M&A-BeraterInnen gibt es bei kleinen Assets normalerweise keine BeraterInnen, die einen planbaren Verkaufsprozess strukturieren. Die von KleinunternehmerInnen engagierten AnwältInnen sind oftmals keine spezialisierten M&A-AnwältInnen. Gleiches gilt für die SteuerberaterInnen, die nur selten mit Firmenverkäufen in Berührung kommen. In Summe bedeutet das, dass man als KäuferIn kaum GesprächspartnerInnen hat, die einem helfen, die Gespräche mit den VerkäuferInnen sinnvoll zu moderieren. Die Verkaufsprozesse sind daher meist chaotisch, ziehen sich in die Länge und sind von einer gewissen Irrationalität geprägt. 

Fazit

Der Zeitaufwand für einen EUR 2 Mio. Deal ist (fast) genauso groß wie der für einen EUR 20 Mio. Deal. Diese M&A-Binsenweisheit kann ich nur bestätigen. Ich selbst habe kleine und Kleinstdeals daher nur in zwei Situationen gemacht: erstens, um mir mit verhältnismäßig kleinem Geld einen Track-Record aufzubauen, der mich in den Augen von institutionellen InvestorInnen befähigt, später auch externes Geld zu investieren. Zweitens, wenn der Synergie-Case mit einem bestehenden Asset so massiv ist, dass er den großen Aufwand rechtfertigt. 

Aus meiner Sicht muss ein guter/ eine gute CEO in der Digitalwirtschaft dieses Thema jedenfalls ständig auf dem Schirm haben und kann es sich nicht leisten, Zukäufe vollständig auszublenden und nur auf organisches Wachstum zu setzen. 

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*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.