10 Herausforderungen in der Personalstrategie & das 6-Stufen HR-Erfolgsmodell für KMUs

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Peter: Guten Morgen, Jan. Diesen Monat konzentrieren wir uns auf den „People Monat“, um unsere Unterstützungsmaßnahmen für Portfoliounternehmen zu diskutieren. Wir begegnen verschiedenen Herausforderungen und bemerken unterschiedliche Entwicklungsstufen bei den Unternehmen. Basierend auf deinen Beobachtungen hast du ein 6-stufiges Reifegrad-Modell entwickelt. Kannst du uns dieses Modell näherbringen und seine Bedeutung für uns heute erläutern? 

Jan: Unser 6-stufiges Modell strukturiert die Beobachtungen aus der Due Diligence, um eine einheitliche Sprache zu entwickeln. Stufe Null zeigt keine eigene HR-Abteilung, wobei HR-Aufgaben oft von GründerInnen oder AssistentInnen übernommen werden. Stufe Fünf repräsentiert eine umfassende HR-Abteilung als Kern der Wertschöpfung. Die meisten geprüften Unternehmen liegen zwischen Stufe Null und Zwei, meist näher an Eins, was unseren Fokus auf People Value Creation setzt. 

HR Auswirkungen & Reifegradmodell

Stufe 0

  • Fehlende Strukturen, Strategie, Systeme, Governance und dediziertes Team im HR Bereich (0-1 FTE) basalste HR-Produkte über Dienstleister (Payroll/Verträge/Recruiting) oder Führungskräfte.​

Stufe 1

  • Administrative und an Grundprozessen orientiertes HR, geringe Strukturierung, ohne strategischen Anspruch und spezialisiertes Team (0,5-2 FTE); unklare Abgrenzung zwischen HR und Führungskräften, einfach definierte HR-Produkte vorhanden (Lohnabrechnung, Vertragsmanagement, Recruiting).​

Stufe 2

  • Grundlegendes und als Silo funktionierendes HR mit beginnender Spezialisierung (1-3 FTE); bewusster Umgang mit (Arbeits-)rechtlichen Risiken; beginnende Automatisierung und Nutzung von HR-Systemen; erweiterte HR-Produktpalette; noch signifikante Abhängigkeit von externen Dienstleistern.

Stufe 3

  • HR als funktionale, aber nicht strategische Einheit mit Schwerpunkt auf effizienter aber reaktiver Umsetzung von HR-Prozessen; Team-Spezialisierungen (3-7 FTE); fortgeschrittene Integration von Software sowie gut etablierte Governance-Strukturen und HR-Produkte; weiterhin Nutzung externer Dienstleister für spezialisierte Aufgaben.​​

Stufe 4

  • HR als strategischer Partner; enge Verknüpfung von HR- und Unternehmensstrategie;​
    hochspezialisiertes Team (4-15 FTE); automatisierte HR-Systemlandschaft; positiv die Kultur beeinflussende Governance-Struktur und ausgebaute Palette an HR-Produkten; nur noch begrenzter Einsatz von Dienstleistern für hochspezialisierte Aufgaben.​​​

Stufe 5

  • Vollständige Integration von HR in Geschäftsmodell und Betriebsabläufe; HR-Strategien & Budget als integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie; hochspezialisiertes Team (über 8 FTE); starke Präsenz in der Geschäftsführung; innovative und führende HR-Technologie; Governance als Kodifizierung gelebter Praxis; Spitzenportfolio an HR-Produkten; nahezu vollständige Unabhängigkeit von externen Dienstleistern, Schwerpunkt auf interner Innovation und Pionierarbeit im HR-Bereich.​​​​

Herausforderung: Eine 'Stage-Appropriate' HR-Funktion etablieren – Was passt zu unserem Unternehmensstadium?

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Peter: Wir fokussieren uns heute auf zehn Herausforderungen bei den People-Funktionen in Unternehmen. Die erste Herausforderung ist, die aktuelle Stufe eines Unternehmens im sechsstufigen Modell zu identifizieren und die passenden Maßnahmen auszuwählen. Welche Aspekte betrachtest du bei einer Erstbewertung, um festzustellen, auf welcher Stufe ein Portfoliounternehmen steht?

Jan: Unser Modell reicht von Stufe null bis fünf, aber nicht jedes Unternehmen muss Stufe fünf erreichen. Stufe fünf eignet sich für sehr große Unternehmen mit einem entsprechenden Business Case. Oft geben einfache Anforderungen wie eine Personalliste Aufschluss über den Entwicklungsstand eines Unternehmens. Fehlende oder unsystematische Listen und die Qualität der Arbeitsverträge, wie etwa veraltete in D-Mark ausgestellte Verträge, sind nicht zwangsläufig negativ, deuten aber auf Nachholbedarf in Sachen Aktualisierung hin. 

Peter: Meine Erfahrung zeigt, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Unternehmen selbst aufgebaut haben, unterschätzen häufig die Wichtigkeit der HR-Funktion, indem sie meinen, Stellenanzeigen und Lohnabrechnungen würden ausreichen. Die Herausforderung liegt darin, die Bedeutung von HR im Unternehmen, besonders unter Führungskräften, zu verankern. Wie gehst du diese Herausforderungen an? 

Jan: In der HR-Community wird oft diskutiert, dass kleinere Unternehmen bis zu einer Größe von 30 bis 50 Mitarbeitenden ohne formelle HR-Funktion auskommen können, da GründerInnen oft HR-Aufgaben selbst übernehmen. Eine Formalisierung wird notwendig, wenn das Unternehmen wächst und das informelle System an seine Grenzen stößt, typischerweise ab 80 Mitarbeitenden. Zu diesem Zeitpunkt, besonders bei Buy & Build-Strategien, empfiehlt sich die Einführung einer HR-Abteilung, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. 

Herausforderung: HR-Strategie effektiv mit der Unternehmensstrategie verknüpfen – Wie gelingt die Integration?

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Peter: Sobald das Bewusstsein für HR entsteht, fragt man schnell, wie HR in die Unternehmensstrategie passt. Die zweite Herausforderung ist, den Stand zu bestimmen und den Nutzen sowie ein sinnvolles Vorgehen zu überlegen. Wie siehst du das und wie entwickelst du Strategien dazu? 

Jan: Es ist wichtig zu erkennen, auf welcher Stufe des Reifemodells ein Unternehmen steht, z.B. Stufe null ohne Personallisten und mit veralteten Verträgen. Ziel ist es, zu Stufe eins oder zwei aufzusteigen, wo man grundlegende Systeme und einen Überblick über rechtliche Herausforderungen hat. Dies erfordert die Einführung digitaler Personalakten und Zeiterfassung sowie eine compliance-getriebene Strategie. Aber es gibt noch mehr zu bedenken. Das Recruiting wird zunehmend schwieriger; das sogenannte „Post and Pray“ funktioniert nicht mehr. Recruiting ähnelt ein wenig dem Dating: Es kann gut laufen, aber die wahre Herausforderung ist, eine langfristige Beziehung, sprich Mitarbeiterbindung, zu pflegen. Das macht deutlich, dass es weit über das Vorhandensein solider Arbeitsverträge und Systeme hinausgeht und eine umfassendere Strategie erforderlich ist. 

Herausforderung: Effektive Talentakquisition jenseits von 'Post and Pray' – Wie gewinne ich MitarbeiterInnen trotz geringer Bekanntheit oder Budgets?

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Peter: Die dritte Herausforderung ist, wie man als weniger bekanntes Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber wird. Besonders für kleinere Unternehmen in ländlichen Gegenden ist dies schwieriger als für bekannte Marken in Städten. Du sprachst von „Post and Pray“ bei der Talentgewinnung. Wie kann man attraktiv für Talente sein, auch ohne starke Marke? 

Jan: Wichtig ist die Frage: Wer bin ich? Für kleinere Unternehmen, speziell in Wettbewerbsmärkten, ist das zentral. Wenn man im selben Markt um Talente konkurriert, muss man sich klar machen, was das eigene Unternehmen auszeichnet. Auch wenn wir vielleicht nicht so groß sind, nicht die gleiche Markenbekanntheit haben oder nicht dasselbe Gehalt bieten können, gibt es dennoch attraktive Aspekte, die wir bieten können. Mein Teammitglied Christoph Oesterheld nutzt den Begriff „Boutique Hotel“ für unser Recruiting-Konzept, das auf persönlicher Note und direktem Kontakt basiert, im Gegensatz zu den unpersönlichen Prozessen großer Konzerne. Stelle dir vor, du kannst dich bei Amazon in München bewerben und müssten dich durch eine lange, fehleranfällige Online-Maske kämpfen, oder du sendest deinen Lebenslauf einfach an eine E-Mail-Adresse, die auf der Website angegeben ist, und wirst innerhalb eines halben Tages zurückgerufen oder sogar per WhatsApp kontaktiert. Das ist sehr direkt, persönlich und bietet eine ganz andere Erfahrung. 

Herausforderung: New Work und Home-Office – Wie etabliere ich eine moderne und zugleich leistungsorientierte Unternehmenskultur?

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Peter: Die Geschwindigkeit und Persönlichkeit im Recruiting sind entscheidend. Effiziente und individuelle Prozesse sind wichtig, und selbst kleine Anpassungen können eine große Wirkung haben. Das Thema New Work und Homeoffice ist für mittelständische Unternehmen und kleinere Betriebe besonders relevant geworden. Wie bleibt man modern, etabliert eine leistungsorientierte Kultur und bewältigt diese Herausforderungen erfolgreich? 

Jan: Im Recruiting und darüber hinaus ist es wichtig, Mitarbeitenden einen tieferen Sinn ihrer Arbeit zu vermitteln. Dies ist durch transparente Kommunikation besonders in kleinen Unternehmen machbar, während es in Großkonzernen schwieriger sein kann, den individuellen Beitrag hervorzuheben. Kleine Unternehmen sind zudem flexibler in der Implementierung neuer Praktiken, wie der Öffnung für Remote-Arbeit, ohne komplexe Abstimmungsprozesse. Wenn man beispielsweise keinen Entwickler in der Nähe von München findet, kann man entscheiden, den Talentpool zu erweitern und sich für Remote-Arbeit zu öffnen. Man versucht es einfach, jemanden remote einzustellen, ohne lange Abstimmungsprozesse. Solche Pilotprojekte sind natürlich komplex und können die Unternehmenskultur verändern. Wenn man beispielsweise gewohnt ist, bei informellen Teamtreffen zusammenzusitzen, muss man solche Praktiken möglicherweise neu überdenken. Aber es ist machbar, diese neuen Ansätze in der Kultur zu verankern, und dabei unterstützen wir die Unternehmen auch. 

Peter: In unserer Arbeit beobachten wir zwei Modelle: traditionelle Bürounternehmen und vollständig remote arbeitende Firmen, die international agieren. Viele junge Menschen wünschen sich die Flexibilität, global zu arbeiten, doch solche Unternehmen stoßen oft nach zwei bis drei Jahren auf bedeutende Herausforderungen. Könntest du die rechtlichen und kulturellen Herausforderungen näher erläutern? Es zeigt sich, dass Remote-Arbeit komplexer ist, als es zunächst erscheint. 

Jan: Was wir oft als Homeoffice bezeichnen, fällt eigentlich eher unter mobiles Arbeiten. Bei echtem Homeoffice müsste der Arbeitgeber den häuslichen Arbeitsplatz ausstatten und für die Arbeitssicherheit sorgen, inklusive eines Begehungsrechts. Die meisten bevorzugen daher die flexible Lösung des mobilen Arbeitens, was auch in Richtlinien spezifiziert wird, um beispielsweise Arbeit in öffentlichen Cafés zu vermeiden. Mobiles Arbeiten ist innerhalb Deutschlands problemlos möglich und in vielen Unternehmen verankert.  

Ein kultureller Wendepunkt ist die Zwei-Tage-Regel für Homeoffice, die persönliche Begegnungen ermöglicht. Die Herausforderung beginnt bei drei Tagen Homeoffice, da dann die Gefahr besteht, dass sich Teams physisch aus den Augen verlieren.  

Bei hybrider Arbeit muss man Wege finden, um den Zusammenhalt zu fördern, etwa durch regelmäßige Präsenztreffen. Junge Mitarbeitende, die Flexibilität schätzen, sind besonders von den sozialen Aspekten des Homeoffice betroffen. Die fehlende Struktur vieler Jobs erschwert zudem das Remote-Lernen, was durch Wissensweitergabe in Präsenz besser funktioniert. Dies ist besonders für junge Mitarbeitende wichtig, um ein gewisses Kompetenzniveau zu erreichen, bevor Remote-Arbeit effektiv wird. Dies erhöht zwar die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, steigert aber auch die Führungskomplexität. 

Herausforderung: Technologie und Digitalisierung im HR – Wie implementiere ich ein HRIS mit geringem Budget und Aufwand?

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Peter: Komplexität ist zentral beim Übergang zur Remote-Arbeit, verstärkt durch die schnelle Anpassung an die Corona-Pandemie und die notwendige Digitalisierung von HR-Prozessen. Wir streben an, in Unternehmen, die wir betreuen, den Digitalisierungsprozess durch Einführung geeigneter Systeme und Technologien zu beschleunigen. Die Herausforderung besteht darin, diese Systeme effizient und kostengünstig zu implementieren, ohne hohe Investitionen in Prozesse und Implementierungskosten zu tätigen. 

Jan: Ja, das Stichwort ist die digitale Personalakte, die schon seit 20 Jahren durch die deutsche People- und HR-Landschaft geistert. Wir erkennen ihre Wichtigkeit an und gehen noch einen Schritt weiter, indem wir mit Personio ein zentrales Personalinformationssystem einführen, das Onboarding, Offboarding und die Erstellung von Arbeitszeugnissen vereinfacht. Dies unterstützt Portfoliounternehmen effizient, besonders bei der Organisation von Mitarbeiterdaten. Das System dient als „Single Source of Truth“ für sichere und datenschutzkonforme Datenspeicherung und wird zum Kern aller HR-Prozesse, von der Anwesenheitsverwaltung bis zur Gehaltsabrechnung, und ermöglicht eine einfache Kostenübersicht. 

Peter: Gibt es eine Faustregel für Dauer, Kosten pro Mitarbeitenden und notwendige Investitionen bei der Implementierung von HR-Systemen? 

Jan: Die Implementierungsdauer hängt vom Ausgangspunkt ab: Mit vorhandenen Unterlagen und Betriebsratsunterstützung kann die Umstellung binnen zwei Wochen erfolgen, mit anschließender Eingewöhnungszeit von ein bis zwei Monaten. Es ist ratsam, solche Wechsel entweder zum vollen Kalenderjahr oder zum Halbjahr, in Abstimmung mit Urlaubsplanungen und ähnlichen Angelegenheiten, durchzuführen. Kosten für solche Systeme bewegen sich oft zwischen 10 und 20 Euro pro Nutzer monatlich und bieten eine schnelle Amortisation durch effizientere Prozesse. Ein Beispiel hierfür ist der Onboarding-Workflow: Neuanfänge, bei denen man noch keine E-Mail-Adresse oder keinen Laptop hat, können so vermieden werden. Das System erinnert die zuständigen Stellen konsequent, um solche Verzögerungen zu verhindern. 

Herausforderung: Compliance und rechtliche Anforderungen – Wie navigiere ich durch die ständig wechselnden Gesetzeslagen im HR-Bereich?

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Peter: Wir haben bereits mehrmals rechtliche Aspekte gestreift. Das bildet die sechste Herausforderung, die ich gerne ansprechen möchte. Angesichts häufiger Änderungen im Arbeitsrecht: Wie können kleinere Unternehmen aktuell bleiben und Herausforderungen bewältigen ohne ein eigenes Rechtsteam? 

Jan: Ja, ohne die Unterstützung durch eine Organisation wie FLEX ist es tatsächlich schwierig, denn oft arbeitet man nur mit einem Lohnbüro oder SteuerberaterInnen zusammen. Wenn diese gut informiert sind, halten sie einen über Veränderungen auf dem Laufenden. Aber im HR-Bereich passiert derzeit sehr viel. Beispielsweise wurde das Schriftformerfordernis neu definiert, sodass nun alles schriftlich festgehalten werden muss, einschließlich Kernarbeitszeiten und Jobbeschreibungen, was viele nicht erfüllen. Deutschland muss zudem eine EU-Richtlinie zur Arbeitszeiterfassung umsetzen, was weitere Anpassungen erfordert. Bezüglich der home- oder mobile-Work-Richtlinie habe ich mich auf Deutschland beschränkt. Wenn man jedoch plant, jemanden für zwei Monate nach Bali zu schicken, kommen viele weitere Aspekte hinzu, wie Steuer- und Sozialrecht sowie weitere Rechtsbereiche, was die Situation schnell kompliziert macht. Wir bieten hierbei Orientierung und stellen Vorlagen bereit, um den Aufwand gering zu halten und rechtliche Probleme zu vermeiden. 

Herausforderung: Change-Management – Wie initiiere ich notwendige Veränderungen, die auch die MitarbeiterInnen betreffen?

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Peter: Ein Thema, das mir immer wieder begegnet, ist Change. Wenn wir investieren, bedeutet das zunächst eine Veränderung für die Unternehmen, in die wir einsteigen, besonders für solche, die von den Gründern gebootstrapped wurden und plötzlich einen Investor an der Seite haben. Das ist eine erste Veränderung. Eine zweite Veränderung ergibt sich oft, wenn wir eine Plattformstrategie verfolgen und ein weiteres Unternehmen hinzukaufen. Dann müssen plötzlich zwei Teams zusammenarbeiten, die vorher möglicherweise parallel existierten. Manchmal leben sie nebeneinander, manchmal integrieren wir sie stärker. Das heißt, die MitarbeiterInnen bemerken die Veränderungen und müssen sich anpassen und diese akzeptieren, was kommuniziert werden muss. Das ist oft ein Knackpunkt, besonders wenn es das erste Mal geschieht. Wie gehen wir damit um? Was ist unser Beitrag und welche Herausforderungen gibt es dabei? 

Peter: Veränderung ist eine konstante Herausforderung, besonders nach Investitionen in gebootstrappede Unternehmen oder beim Kauf weiterer Unternehmen, was die Zusammenarbeit zweier vorher getrennter Teams erfordert. Das heißt, MitarbeiterInnen bemerken die Veränderungen und müssen sich anpassen. Diese Anpassungen müssen kommuniziert werden, um Akzeptanz zu finden. Wie managen wir diese Veränderungen und welche Strategien verfolgen wir dabei? 

Jan: Wir unterscheiden zwei Kundengruppen: Entscheidungsträger, die Veränderung verstehen und umsetzen wollen, und solche, die Veränderungen unterschätzen. Unsere Aufgabe ist es, mit Change-Management und Kommunikation alle abzuholen und durch den Veränderungsprozess zu führen, der von Schock bis zur Akzeptanz reicht. Es gibt eine typische Verlaufskurve bei Veränderungsprozessen, die zunächst mit einem Schock beginnt, gefolgt von einer Phase der Ablehnung, die oft als „Tal der Tränen“ bezeichnet wird, bis schließlich die Akzeptanz eintritt. Die Entscheidungsträger, wie zum Beispiel die Gründerin oder der Gründer, die das Unternehmen verkaufen, haben diesen Prozess bereits durchlaufen. Die Mitarbeitenden hingegen stehen oft noch am Anfang dieser Kurve. Es ist unsere Aufgabe, dieses Delta zu überbrücken und durch gezielte Kommunikation zu begleiten. Im „Tal der Tränen“ könnten sich Mitarbeitende sonst fragen, ob sie überhaupt glücklich sind und ob es nicht Zeit wäre zu gehen, was für uns ungünstig wäre, da wir das Unternehmen vor allem wegen der qualifizierten Mitarbeitenden kaufen. Wir unterstützen Führungskräfte mit Fragen wie „Warum verändern wir uns?“ und „Was habe ich davon?“, um Akzeptanz zu fördern und sicherzustellen, dass Veränderungen positiv aufgenommen werden. 

Herausforderung: Führungskräfteentwicklung & Delegation – Wie gebe ich Verantwortung effektiv ab und fördere meine Führungskräfte?

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Peter: Unternehmer müssen während des Due-Diligence-Prozesses und anschließender Veränderungen reflektieren, was dies für ihre MitarbeiterInnen bedeutet. Es ist wichtig, die positiven Aspekte einer Investition zu erkennen und zu kommunizieren. Ein kritischer Punkt ist oft das Erreichen einer Mitarbeiterzahl von etwa 80, was eine Neustrukturierung und die Einführung einer zweiten Führungsebene erfordert. Die Herausforderung liegt darin, Verantwortung effektiv zu delegieren und das Team unter neuer Führung weiterzuentwickeln. Was ist deine Beobachtung dazu? 

Jan: Ich verwende gerne bildhafte Sprache und beschreibe kleinere, inhaber- oder gründergeführte Unternehmen oft als ein Sonnensystem, in dem die Sonne – also die Führungsperson – ihre Strahlen direkt auf alle Planeten, sprich MitarbeiterInnen, richtet. Oft sehen wir, dass in solchen Unternehmen, formal betrachtet, vielleicht 70 bis 80 Personen direkt an eine einzige Person berichten, mit nur sehr zaghaften Ansätzen von Delegation und Führung durch andere. Dies kann natürlich auch für die Führungsperson selbst überfordernd sein, ist aber so gewachsen. Jetzt stehen wir vor zwei Herausforderungen: abgeben zu können und anzunehmen zu können. Wir versuchen, auf diesen beiden Ebenen anzusetzen. Wenn die GründerInnen oder InhaberInnen dabeibleiben möchten, bauen wir mit ihnen eine zweite Führungsebene auf. Wenn sie verkaufen und ausscheiden möchten, suchen wir nach neuen Führungskräften, die übernehmen können. Aber die Rolle eines Gründers oder Inhabers durch eine einzelne Person ersetzen, ist meist nur mit drei oder vier Personen möglich, denn die gewachsenen Strukturen und Verantwortlichkeiten einer Person zu übernehmen, ist eine enorme Herausforderung. Wir stoßen schnell auf das Thema Delegation, auch innerhalb bestehender Teams. Es jemandem, der vielleicht seit 20 Jahren im Unternehmen ist und immer direkt mit dem Inhaber kommuniziert hat, beizubringen, nun Verantwortung für ein Team, für Urlaubs- und Gehaltsangelegenheiten zu übernehmen, stellt eine große Veränderung dar – sowohl für das Unternehmen als auch für die Person selbst.

Herausforderung: Kompensation & Benefits – Wie gestalte ich ein attraktives Gesamtpaket, um meine MitarbeiterInnen angemessen zu entlohnen?

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Peter: Viele denken, dass People-Management neben dem Recruiting hauptsächlich um die Lohnabrechnung kreist. Doch auch hier haben wir uns intensive Gedanken gemacht. Könntest du darauf eingehen, wie man für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter ein attraktives Gesamtpaket gestalten kann? 

Jan: Ja, der Fachbegriff dafür ist „Total Compensation“, also das gesamte Vergütungspaket. Viele denken dabei nur an das, was sie pro Monat erhalten, was auch korrekt ist, aber das ist nur ein Teil, nämlich die Basisvergütung. Oft gibt es zusätzlich noch Boni, die leistungsbezogen sein können oder sich nach dem Unternehmensumsatz richten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind die sogenannten Benefits, also zusätzliche Vorteile. Doch das beschreibt nur die eine Seite der Vergütung, den transaktionalen Vertrag zwischen MitarbeiterIn und Unternehmen, wo im Grunde Geld gegen Zeit getauscht wird. Daneben existiert ein emotionaler Vertrag, der oft mehr mit der direkten Führungskraft als mit dem Unternehmen zu tun hat und Aspekte wie Betriebszugehörigkeit, die Qualität der Kantine, die Anfahrtswege oder die generelle Lebensqualität umfasst. So betrachtet wird das Thema Gehalt wesentlich komplexer, aber auch bereichernder. Wir streben an, sowohl die finanzielle als auch die emotionale Ebene zu berücksichtigen und zu gestalten, indem wir überprüfen, ob das Paket marktüblich ist und ob man es steuerlich optimieren kann. Inhabergeführte Unternehmen neigen oft zu einfachen Gehaltsstrukturen wie einem festen Gehalt plus Bonus. Mit etwas mehr Überlegung kann man jedoch weitere Möglichkeiten in Betracht ziehen, wie Brutto-Netto-Optimierungen oder die Beteiligung am Unternehmen, die softwaregestützt erfolgen können. Diese komplexeren Aspekte der Vergütung sind besonders spannend, weil sie es erlauben, über das einfache Erhöhen des Monatsgehalts hinauszudenken. Bei Gehältern über 45.000 Euro führen direkte Erhöhungen aufgrund von Steuern und Abgaben oft nur zu etwa der Hälfte des Mehrbetrags netto beim Mitarbeitenden. Alternativen wie Essensgutscheine oder ÖPNV-Karten können hingegen fast eins zu eins an den Mitarbeitenden weitergegeben werden, wenn man die Brutto-Netto-Optimierung berücksichtigt. 

Herausforderung: HR-Team Aufbau – Welche Qualifikationen sind für meine erste oder zweite HR-Stelle entscheidend?

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Peter: Angesichts der durchlaufenen Themen stellt sich die Frage nach dem Anfang im People-Management und den ersten notwendigen Schritten sowie Teammitgliedern. Wie geht man vor? Wen brauche ich als erstes im Team für People-Management? Wie würdest du darüber nachdenken? 

Jan: Eine gute Frage mit einfacher und komplexer Antwort. Da wir die meisten Themen bereits angesprochen haben, neige ich zur ausführlicheren Erklärung. Zunächst sollte man sich klar machen, auf welcher Stufe man sich befindet – bei Phase null oder vielleicht schon bei zwei oder drei. Darauf aufbauend ist die Verknüpfung von Unternehmens- und HR-Strategie entscheidend. Stellen wir uns vor, ich leite eine Organisation mit 50 Personen und plane, zwei weitere Organisationen ohne eigene Personalabteilungen zu integrieren und zusätzlich 20 neue MitarbeiterInnen einzustellen. Diese Entscheidung bestimmt, welche Kompetenzen benötigt werden. Am Anfang steht oft das Thema People-Operations, also der administrative Bereich, Projektmanagement und Talent-Akquisition bzw. Recruiting. Es bietet sich an, eine etwas erfahrenere Person mit arbeitsrechtlichem Hintergrund einzustellen, die gegebenenfalls auch im Recruiting-Bereich tätig sein kann. Oft ist dies eine Generalistenposition, die in der Lage ist, diese verschiedenen Bereiche abzudecken. Wenn die Strategie es zulässt, eine zweite Person einzustellen, ist es sinnvoll, im Bereich Recruiting eine gewisse Differenzierung vorzunehmen: Eine Person konzentriert sich auf Talent-Akquisition und Engagement, während die andere im Bereich People-Operations und Projekte tätig ist. 

Peter: Bezugnehmend auf das Modell, ist es notwendig für jedes Unternehmen, die höchste Stufe anzustreben, oder genügt es, auf einer niedrigeren Stufe wie zwei oder drei zu bleiben, wenn diese für die Unternehmensgröße passend ist? 

Jan: Diese Frage hat mich auch während meines eigenen Prozesses beschäftigt. Anfangs dachte ich als leidenschaftlicher HR-Mensch natürlich, dass das Ziel immer eine fünf sein muss. Aber ich habe erkannt, dass man mindestens Stufe zwei oder drei erreichen muss, weil man sonst keine klare Vorstellung davon hat, wer im Unternehmen arbeitet, und grundlegende Compliance- sowie Standardprozesse nicht funktionieren. Bis zu Stufe zwei oder drei ist es in den meisten Fällen ein Muss. Alles darüber hinaus, wo wir von komplexeren HR-Produkten sprechen, sehe ich als optional an. Es gibt viele erfolgreiche Unternehmen, die darüber hinaus nichts weiter unternehmen. Würden diese vielleicht noch besser dastehen, wenn sie es täten? Teilweise ja, aber um konkret zu werden: Ein 360-Grad-Feedbackprozess, der softwaregestützt abläuft, ist ein solches Produkt, das nur mit und durch die Mitarbeitenden erfolgreich ist. Die Führungsebene muss dies unterstützen, ebenso die nächstuntere Ebene. Daher würde ich sagen, ab Stufe drei muss man sehr genau prüfen: Tue ich das als Selbstzweck oder existiert ein echter Business Case dafür? Und es ist entscheidend, Befürworter im Unternehmen zu haben, idealerweise in der Führungsebene, die diese Maßnahmen unterstützen, denn sonst funktionieren sie meistens nicht. 

Peter: Perfekt! Vielen Dank dafür, Jan. 

Jan: Vielen dank, Peter. 

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