Von starr zu flexibel: Drei Schritte zum erfolgreichen volldynamischen Pricing

Inhalt

Der letzte Teil unserer Value Creation Reihe von FLEX Capital, handelt von einem spezielleren, aber zunehmend relevanten Konzept im Umfeld der Preisgestaltung: dem volldynamischen Pricing. Dieser Ansatz zeichnet sich durch die fortlaufende, datenbasierte Anpassung von Preisen in Echtzeit aus. Die Höhe des Preises wird dabei durch Faktoren wie der aktuellen Kundennachfrage bestimmt. Im Kern ermöglicht diese Methode Unternehmen, ihre Preisgestaltung flexibel und reaktionsschnell zu gestalten, um auf Marktveränderungen unmittelbar reagieren zu können und die Zahlungsbereitschaft von Kunden optimal abzuschöpfen. Dass diese Art des Pricings mehr und mehr verwendet wird, ist allgegenwärtig: Sei es beim Buchen von Flügen, Zugtickets oder Mietwagen, beim Reservieren von Hotels oder auch beim Kauf eine Skitickets in den Schweizer Alpen – je nach Nachfrage und Zeitpunkt der Buchung ändert sich der Angebotspreis für Endkunden dynamisch.

Ziel dieses Artikels ist es, einen möglichen Weg hin zum volldynamischen Pricing zu skizzieren und damit Entscheidungsträger in die Lage zu versetzen, erste strategische Überlegungen in diese Richtung anzustellen.

Ist volldynamisches Pricing für jedes Unternehmen sinnvoll?

Bevor wir in den folgenden Abschnitten tiefer in die Schritte hin zum volldynamischen Pricing eintauchen, stellt sich zunächst die Frage, für welche Art von Unternehmen dieser Schritt überhaupt sinnvoll ist.

Während für die meisten Unternehmen differenziertes Pricing (siehe unten) hilfreich sein kann, erweist sich der komplette Weg hin zum volldynamischen Pricing besonders für jene Unternehmen als vorteilhaft, bei denen die folgenden drei Bedingungen zutreffen:

  1. Die Nachfrage ist kundenseitig zeitlich stark begrenzt, d.h. der Kauf des Produkts zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt signifikant unvorteilhafter.
  2. Das Angebot kann nicht kurzfristig ausgeweitet werden und es entstehen relevante Fixkosten – auch bei Nichtverkauf des Produkts.
  3. Die Preiserwartung des Kunden ist schwach ausgeprägt, d.h. es gibt häufig keine klare Preisvorstellung seitens des Kunden.

Die genannten Kriterien lassen sich gut anhand einiger Beispiele verdeutlichen:

Ein Unternehmen, für das die beschriebenen Bedingungen definitiv zutreffen ist ein Mietwagenverleih auf Mallorca: Eine Kundin hat eine klare Vorstellung davon, wann genau sie den Mietwagen braucht – einen Tag früher oder später ist meistens keine Option. Des Weiteren ist sie vermutlich Touristin und hat daher keine genaue Vorstellung davon, wie viel ein Mietwagen auf Mallorca kostet. Dazu kommt, dass die Anzahl der angebotenen Mietwagen nicht so einfach von einem Tag auf den Nächsten ausgeweitet werden kann, bei Nichtvermietung dem Mietwagenverleih aber signifikante Kosten entstehen (z.B. aufgrund von Wertverlust).

Ein Gegenbeispiel wäre ein Autobauer, der Neuwagen an Endkunden verkauft. Hier wäre zumindest in einem europäischen Markt – wo Autos üblicherweise erst nach dem Kauf gebaut werden – keiner der obigen Punkt wirklich erfüllt: Erstens gibt es für den Endkunden meist keinen exakten Zeitpunkt, wann der Neuwagen gekauft werden muss. Zweitens entstehen bei Nichtverkauf nicht per se schon hohe Fixkosten, da die Produktion wie gesagt erst nach dem Kauf beginnt. Drittens – und wahrscheinlich am wichtigsten – ist, dass der Endkunde meist einen relativ klaren Blick auf den Preis des Autos hat und es sicherlich nicht akzeptieren würde, wenn der Neuwagenpreis im Tagesrhythmus fluktuiert.

Differenzierter betrachten kann man das Beispiel einer Eisdiele: Befindet sich die Eisdiele in einem Wohnviertel, gibt es häufig eine sehr klare Erwartung der Kunden, was den Preis einer Kugel Eis angeht. Eine Dynamisierung und damit Fluktuation der Preise wäre hier sicherlich nicht empfehlenswert, da sie vermeintlich zu Kundenfrust und -abwanderung führen würde. Befindet sich die Eisdiele hingegen an einem Touristenstrand, ist die Preisvorstellung oft weniger ausgeprägt, und eine Dynamisierung in kleinem preislichem Rahmen wäre ein mögliches Mittel zur Optimierung des Gewinns.

Nachdem wir die grundlegende Idee anhand der obigen, leicht verständlichen Beispiele skizziert haben, wollen wir im Folgenden zwei beispielhafte Software-Unternehmen betrachten, bei denen volldynamisches Pricing sinnvollerweise etabliert werden könnte:

Das erste Beispiel ist ein Unternehmen, das Game-Server an Spieler vermietet. Die Herausforderung bei dieser Art von Business ist, die vorhandenen Ressourcen (Server) unter Berücksichtigung der oft stark fluktuierenden Nachfrage, profitoptimal zu vermieten. Das gelingt häufig, wenn man es schafft die Nachfrage so zu glätten, dass sie besser auf das konstant bleibende Angebot allokiert werden kann. Um das zu erreichen, kann dynamisches Pricing mit Preissteigerungen und durch Marketing unterstützten Preissenkungen ein probates Mittel sein.

Ein anderes Beispiel wäre ein Unternehmen, das Steuersoftware anbietet. Kurz vor der gesetzlichen Abgabefrist der Steuererklärung ist die zeitliche Notwendigkeit zum Kauf der Software so driftig, dass es in diesem Fall zumindest überlegenswert ist, eine Dynamisierung in die Preissetzung zu integrieren. Der aufmerksame Leser mag entgegnen, dass für diese Art von Unternehmen der zweite, oben genannten Punkt, nichtzutreffend ist und die Software problemlos vervielfältigt werden kann. Dies verdeutlicht, dass die Einführung des dynamischen Pricings immer differenziert betrachtet werden muss.

Was sind die Schritte hin zum volldynamischen Pricing?

Wenn wir Unternehmen dabei begleiten, ihre Preisgestaltung dynamischer zu machen, gehen wir üblicherweise in 3 Schritten vor. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass das endgültige Ziel nicht immer die Implementierung des volldynamischen Pricing sein muss, sondern, dass auch die Zwischenschritte oftmals erheblichen Mehrwert für die Unternehmen bringen.

Baseline: Keine Differenzierung/Einheitspreis

Ist Pricing kein Fokusthema eines Unternehmens, findet man häufig Einheitspreise vor, die keine Differenzierung hinsichtlich der Dimensionen Markt, Kunden, Zeit und teilweise Produkt vornehmen. Häufig wird der Preis dabei entweder nach Bauchgefühl des Entscheidenden festgelegt oder er folgt einem kostenbasierten Ansatz. Ein Beispiel wäre eine Hotelkette, die das ganze Jahr lang in all ihren Hotels den gleichen Preis für ein Zimmer verlangt. Sofern dies nicht strategisch klar geplant wurde und marketingseitig gezielt adressiert wird, ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine optimale Preisstrategie.

Schritt 1: Differenziertes Pricing

Der erste Entwicklungsschritt vom Einheitspreis hin zum dynamischen Pricing ist das differenzierte Pricing. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass der Preis entlang erster (weniger) Dimensionen unterschieden wird. Übliche Dimensionen, entlang derer Preise differenziert werden, sind:

  • Kundengruppe: B2C vs. B2B, Großabnehmer vs. Kleinabnehmer usw.
  • Zeit: Hotelpreis am Mittwoch ist anders als am Samstag, reduzierter Preis für den Mittagstisch im Restaurant usw.
  • Ort: Preise für den gleichen Mietwagen unterscheiden sich in Spanien und Deutschland. Ein iPhone kostet in verschiedenen Ländern unterschiedlich viel.
  • Produkt: Neue Softwarelizenz ist höher bepreist als ältere Versionen. Beliebte Eissorten einer Eisdiele sind teurer als andere.

Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass meistens nicht die Kosten der Treiber für die Differenzierung der Preise ist, sondern eine sich unterscheidende Nachfrage und Zahlungsbereitschaft.

In der Praxis sehen wir oft, dass Preissetzungen in diesem Stadium bei kleinen und mittelständischen Unternehmen noch immer ausschließlich auf dem Bauchgefühl der Entscheider basieren. Unserer Erfahrung nach lohnt sich jedoch spätestens in diesem Schritt ein gründlicher Blick in die internen und externen Daten. Mithilfe dieser können zum einen die relevanten Dimensionen besser bestimmt werden und zum anderen die tatsächliche Zahlungsbereitschaft besser zu treffen. Als positiver Nebeneffekt werden Datentypen gesammelt, die für den nächsten Schritt unerlässlich sind.

Schritt 2: Flexibles Pricing

Der zweite Schritt ist das sogenannte flexible Pricing. Dabei wird nun nicht nur anhand einiger, weniger Ausprägungen preislich differenziert, sondern es werden Dimensionen miteinander kombiniert (Premium-Mietwagen für B2C-Kunden am Dienstag, dem 12.07., in Palma bei einer Mietlänge von 3 Tagen kostet 100 EUR/Tag). Im Gegensatz zum volldynamischen Pricing (siehe unten) werden diese Preise aber nicht in Echtzeit neu berechnet, sondern in vordefinierten Zyklen als Batch kalkuliert.

Wie aus dem obigen Beispiel des Mietwagens in Palma ableitbar, gibt es beim flexiblen Pricing leicht mehrere Hundert verschiedener Kombinationen für die Preise gefunden werden müssen. Spätestens hier ist eine datenbasierte Preissetzung unumgänglich – eine solche Anzahl an Preisen schlüssig zu setzen, ist mit Bauchgefühl weder zeitlich noch kognitiv leistbar.

Während flexibles Pricing nach unserer Erfahrung den Profit eines Unternehmens deutlich verbessern kann, gibt es sowohl interne als auch externe Faktoren, die vor einer Implementierung gründlich abgewogen werden sollten. Aus Kundensicht kommt es durch die Einführung des flexiblen Pricings erstmalig zu einem Verlust der Preisverlässlichkeit. D.h., der einzelne Kunde ist nicht in der Lage, vorab schon genau sagen zu können, was ihn/sie der Kauf des Produkts kosten wird. Das kann ein Problem darstellen, muss aber nicht (vgl. Abschnitt „Für welche Art von Unternehmen ist dynamisches Pricing sinnvoll“). Während diese externe Herausforderung den meisten sofort offensichtlich ist, gibt es häufig eine weitere, interne Challenge, die es zu meistern gilt: Aufgrund der Fülle an Preisen können die einzelnen Preise unmöglich vom Management überprüft oder validiert werden. Das führt aber dazu, dass – oft erstmalig – die einzelnen Preisentscheidungen nicht vom Management getroffen werden, sondern (datenbasiert) von Analysten im Unternehmen. Dieser Wechsel in Verantwortlichkeiten sollte jedem bereits vor der Implementierung bewusst sein, um möglichen Unklarheiten bei den Verantwortlichkeiten vorzubeugen.

Dieser kurze Artikel hat weder den Anspruch noch das Ziel, im Detail aufzuzeigen, wie flexibles Pricing praktisch umgesetzt werden kann. Im Folgenden wollen wir dennoch auf drei entscheidende Input-Faktoren eingehen, die als Grundlage für einen Pricing-Algorithmus dienen können:

  • Nachfrage: Der wohl offensichtlichste Input-Faktor ist die Nachfrage. Weit weniger offensichtlich ist dabei die Art und Weise, wie Nachfrage gemessen wird. Einer der häufigsten „Fehler“, den wir beim Messen der Nachfrage sehen, ist, dass Nachfrage der Anzahl an Verkäufen gleichgesetzt wird. Korrekterweise sollte die Nachfrage aber gemessen werden, bevor der Preis die finale Kaufentscheidung beeinflusst. Dies kann z. B. über (sorgfältig bereinigte) Webseiten-/App-Aufrufen, B2B-Lead-Listen etc. approximiert werden.
  • Preissensitivität: Ein Input-Faktor, der häufig schwer zu messen ist und daher häufig ignoriert wird, ist die Preissensitivität. Diese beschreibt, um wie viel die Nachfrage sinkt, wenn der Preis angehoben wird, und vice versa den Nachfrageanstieg bei Preissenkung. Spannend wird es dabei, wenn die Preissensitivität nicht als eine globale Größe angenommen wird, sondern unterschiedliche Preissensitivitäten für die verschiedenen Dimensionen berechnet werden – ein B2B-Kunde hat vermutlich eine andere Preissensitivität als ein B2C-Kunde, oder die Preissensitivität unterscheidet sich maßgeblich darin, wann die Buchung stattfindet. Wer ist nicht schon einmal in einem fast leeren Zug gesessen, dafür aber den höchstmöglichen Preis bezahlt – weil die Buchung kurz vor der Abfahrt erfolgte? An diesem Beispiel wird auch schön deutlich, dass die Preissensitivität im Zweifel häufig die Nachfrage bei der Preissetzung „schlägt“. Sprich: Bei geringer Preissensitivität ist es vorteilhaft, einen höheren Preis anzusetzen, unabhängig davon, ob die Nachfrage groß oder gering ist.
  • Optimierungsziel: Beim flexiblen Pricing „übersetzt“ ein Algorithmus die Input-Daten in mathematisch optimale Preise – gegeben einem vordefinierten Optimierungsziel. Das Optimierungsziel (Maximierung Umsatz, Maximierung kurzfristiger Bruttogewinn, Maximierung langfristiger Bruttogewinn,…) ist ein essenzieller, vom Management vorgegebener Faktor, der die Preissetzung erheblich beeinflusst. Während dieser Input-Faktor den meisten Lesern offensichtlich sein mag, erleben wir in der Praxis häufig, dass sich Entscheidungsträger extrem schwer tun, das Optimierungsziel klar zu formulieren.

Schritt 3: Volldynamisches Pricing

Der Übergang vom flexiblen Pricing zum volldynamischen Pricing manifestiert sich vor allem darin, dass Preisentscheidungen nun in Echtzeit getroffen und nicht wie beim flexiblen Pricing vorberechnet werden. D.h. schwer vorhersagbare extrinsische Effekte, die die Nachfrage maßgeblich in Echtzeit beeinflussen, wie z.B. Wetterumschwung, viral gegangene Werbepost, aggressive Promotionsangebote des Wettbewerbs oder Events, werden Teil der Preissetzung. Um den Unterschied an einem Beispiel etwas klarer zu machen, schauen wir uns nochmal einen Mietwagenverleih an. Agiert dieser mit volldynamischen Pricing, so würde z.B. ein Bahnstreik Einfluss auf die Preissetzung des Anbieters haben. Etwas, was es beim flexiblen Pricing nicht der Fall ist.

Auf dem Papier mag der Schritt vom flexiblen zum volldynamischen Pricing trivial klingen. In der Praxis ist aber – oft jahrelange – Vorarbeit nötig, um das volldynamische Pricing effizient einzusetzen. Die zwei größten Herausforderungen sind dabei:

  • Infrastruktur: Die Infrastruktur muss technisch in der Lage sein, dynamische, sich ständig ändernde Preise verarbeiten zu können. Konkret bedeutet das unter anderem:
    • (Nachfrage-) Daten werden in Echtzeit gemessen und verarbeitet.
    • Webseite/App sind in der Lage, sich ständig ändernde Preise auszuspielen.
    • Customer-Service-Tools kennen für jeden Kunden den ihm/ihr vorgelegten Endpreis.

Dieses Ziel zu erreichen ist meistens eine Mammutaufgabe, die vor allem Ressourcen auf der technischen Seite bindet.

  • Algorithmik: Während beim flexiblen Pricing zumindest ein Analyst die ausgespielten Preise nochmal testen kann, bevor diese in Produktion gehen, ist dies beim volldynamischen Pricing nicht mehr möglich. Es bedarf daher einer sehr verlässlichen Algorithmik, um nicht versehentlich falsche, dem Business schadende, Preise auszuspielen. Dass das nicht nur ein theoretisches Problem ist, kann man immer wieder in Medien nachlesen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Implementierung eines volldynamischen Pricing nicht ein einzelnes, kurzes Projekt darstellt, sondern als langfristiges Ziel mit etlichen Zwischenetappen verstanden werden sollte. Ob dabei der ganze Weg gegangen werden muss, hängt stark vom jeweiligen Unternehmen ab. Klar ist jedoch: Ein aktives Auseinandersetzen mit den Möglichkeiten der (datenbasierten) Preisoptimierung ist nie von Nachteil.

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*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.