„Viele machen sich mit den Finanzierungsrunden verrückt“

Experten Interview
Inhalt
Feliks Eyser
Investor und Unternehmer
Feliks Eyser gründete 2009 die Marketingplattform regiohelden.de, skalierte sie und verkaufte das Unternehmen 2015 erfolgreich an Ströer. Heute ist er vor allem als Investor mit Fokus auf Business Angel Investments und Founding Investments aktiv.
Christoph Jost
Managing Partner von FLEX Capital
Christoph Jost ist Serienunternehmer und Co-Founder von FLEX Capital. Er hat unter anderem die Online-Jobbörse Absolventa gegründet und zum Marktführer in Deutschland aufgebaut.
Bootstrappen oder Investoren an Bord holen? Früher oder später müssen sich GründerInnen diese Frage stellen. Feliks Eyser war selbst Gründer und ist heute Investor. Er kennt beide Finanzierungswege und teilt im Interview mit Christoph Jost seine Tipps für Unternehmer, die ein VC-Investment in Erwägung ziehen.

Feliks, wenn du jungen Gründern einen Rat geben müsstest, wann ist Bootstrapping der richtige Weg und wann eine Finanzierung über Venture Capital?

Feliks: Der Weg von Bootstrapping zu Venture Capital ist eine Einbahnstraße. Das muss man wissen. Es ist gut im Bootstrapping-Modus anzufangen. So haben wir es bei RegioHelden gemacht. Wir haben herausgefunden, wie das Produkt und die Vertriebskanäle funktionieren. Wir wollten unseren Vertrieb dann von fünf auf 50 Personen aufstocken. Das hätte im Bootstrapping-Modus lange gedauert. Der VC-Weg war für uns eine super Abkürzung. Die Geschwindigkeit ist der große Vorteil. Die Gefahr ist, dass man zu schnell zu viel Geld raised und es dann nicht smart ausgibt. Man wird auch schnell abhängig von dem Geld. Die Kosten fallen doch höher aus, der Business-Erfolg braucht länger. Dann folgt eine Finanzierungsrunde auf die nächste und man befindet sich schnell auf einer Straße, aus der man nicht mehr herauskommt.

Deswegen ist es aus meiner Sicht sinnvoll, mit Bootstrapping zu beginnen und im Einzelfall zu gucken, ob man Finanzierung braucht, um seine Ziele zu erreichen. Bei RegioHelden konnten wir unsere Ziele nur über VC erreichen, aber ich habe 70, 80 Prozent meiner Anteile abgeben müssen. Wenn man die Möglichkeit hat zu bootstrappen, ist das immer der bessere Weg. Gleichzeitig gibt es Geschäftsmodelle wie SaaS, bei denen Bootstrapping schwierig ist, weil am Anfang hohe Investitionen nötig sind.

Der VC-Weg war für uns eine super Abkürzung. Die Geschwindigkeit ist der große Vorteil. Die Gefahr ist, dass man zu schnell zu viel Geld raised und es dann nicht smart ausgibt. Man wird auch schnell abhängig von dem Geld.

Du hast RegioHelden 2008, 2009 in einer Krisenzeit gegründet. Heute erleben wir einen Boom, eine Finanzierungsrunde jagt die nächste. Wie siehst du auf die Situation, worauf sollten Unternehmer achten, die in einer Boom-Zeit starten?

Feliks: In einer Krise zu gründen hat Vorteile: Die Marketingkosten sind geringer, es gibt viele Mitarbeiter am Markt. Ja, Kapital war schwieriger zu bekommen, aber gute Gründer setzen sich durch. Die Chance eines Booms, wie wir ihn aktuell erleben, sehe ich darin, dass viel Geld am Markt ist. Bei den Finanzierungsrunden, bei denen wir Gründer begleiten, haben alle Interesse. Investoren wollen große Tickets schreiben.

Das viele Geld führt aber auch zu Wettbewerb. Es werden mehr Firmen gefunded als in einer Zeit, in der das Geld knapp ist. Gute Firmen werden teilweise sogar overgefunded. Das birgt nicht nur die Gefahr, dass Unternehmer mit zu viel Geld unkluge Entscheidungen treffen. Viele machen sich mit den Finanzierungsrunden total verrückt. Das beobachte ich immer wieder. In Berlin liest man als Gründer jede Woche, welche Startups schon wieder 200 oder 600 Millionen geraised haben. Man fragt sich dann, warum sich das eigene Unternehmen schwertut. Die Nachrichten verzerren die Realität und schaffen falsche Erwartungen. Fundraising ist immer ein Kraftakt.

Einen Gründer habe ich neulich gefragt, welche SaaS Multiples, also welchen Jahresumsatz, er als realistisch einschätzt. Er meinte: 80 bis 100 aufs Jahr gerechnet. Ich hätte gesagt: 10 bis 15, 20 bis 30 in Ausnahmefällen.

Christoph: Und das EBITDA spielt auch noch eine Rolle.

Feliks: Richtig, du hättest wahrscheinlich gesagt: 15 Mal EBITDA ist auch schon teuer und nicht 100 Mal Umsatz.

Christoph: Ja, wobei wir mit Private Equities aus den USA gut vernetzt sind und dort sprechen sie bei Software Companies viel häufiger von Umsatz und ARR und gehen in der Kommunikation weg vom EBITDA Multiple, der eigentlich immer der Dreh- und Angelpunkt von jedem Private Equity gewesen ist. Wir passen uns deshalb auch ein Stück weit an, aber wir sagen trotzdem: Die Fundamentals müssen stimmen.

Was häufig von Gründern und Unternehmern übersehen wird, die ihre Firma verkaufen wollen: SaaS Firmen, deren Net Dollar Retention Rate 150 Prozent ist und die um 80 Prozent year-over-year wachsen, traden zu Recht mit hohen Multiples. Viele sagen aber: „Meine Company wächst um 10, 20 Prozent. Ich habe jetzt recherchiert, dass börsennotierte SaaS-Firmen in den USA bei über 30 x ARR gehandelt werden – dort sehe ich mich auch. “ Darauf einen differenzierten Blick zu haben, wird Unternehmern im Boom schwieriger gemacht. Du brauchst viele andere starke KPIs, um solche Multiples zu rechtfertigen.

Feliks: Ja, total. Viele Gründer, wollen mit SaaS Multiples bewertet werden. Sie vergessen aber, dass die hohen Multiples daher kommen, dass die Firmen teilweise 50 Prozent EBIT-Marge machen können. Viele Gründer im E-Commerce oder der Autovermietung haben aber 80 Prozent Cost of Goods Sold. Und nur weil sie eine App haben, heißt das nicht, dass sie so hoch wie Tech Companies bewertet werden können, die extrem hohe Retention Rates und hohe Margen haben.

In Berlin liest man als Gründer jede Woche, welche Startups schon wieder 200 oder 600 Millionen geraised haben. Man fragt sich dann, warum sich das eigene Unternehmen schwertut. Die Nachrichten verzerren die Realität und schaffen falsche Erwartungen.

Ich habe gesehen, dass du dein Investment Business zum Teil sogar aus Bali führst. Kannst du ein paar Learnings teilen: Wie gut funktioniert es, von solchen schönen Orten zu arbeiten und welche Schwierigkeiten gibt es vielleicht auch?

Feliks: Mit meinem Geschäftspartner war ich die letzten fünf Monate auf Bali und wir haben unsere Deals komplett von dort gemacht. Das ist für mich der positivste Corona-Effekt: Es funktioniert jetzt, remote über Zoom Calls Finanzierungsrunden zu machen und Firmen zu verkaufen. Ein Freund hat gerade sein Unternehmen remote verkauft. Das war ein achtstelliger Deal. Ich selbst habe es gerade mit einer Firma erlebt. Drei Zoom Calls haben wir gebraucht. Das war’s.

Eigentlich wollten wir nur einen Monat nach Bali gehen, sind dann aber fast ein halbes Jahr geblieben, weil es tatsächlich so gut funktioniert hat. Manches macht man dort anders. Ich war zum Beispiel in Badehosen beim Notar und musste cash für die Urkunden bezahlen, aber es funktioniert.

Die Schwierigkeit besteht darin, Firmen remote von scratch aufzusetzen. Wir machen ja auch Company Building mit Partnern. Da reicht es nicht, aus der Ferne auf Pitch Decks oder Excel-Tabellen zu gucken. Da ist es wichtig, in einem Raum zusammenzusitzen. Ich glaube, es ginge auch, aber wir haben von Bali aus klassische Deals gemacht. Fünf oder sechs Beteiligungen geschlossen. Das hat problemlos geklappt und ich kann mir vorstellen, in Zukunft immer ein paar Monate im Jahr auf Bali zu sein.

Ich war (…) in Badehosen beim Notar und musste cash für die Urkunden bezahlen, aber es funktioniert.
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*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.