SaaS-Unternehmen: Erfolgreich in die USA expandieren

Experten Interview
Inhalt
Mark Reich
VP Sales und Customer Success bei Sellics
Mark Reich leitet seit 2018 den Vertrieb von Sellics, einem SaaS-Unternehmen für Marketing von Unternehmen, die ihre Produkte über Amazon vertreiben. Davor war Mark in verschiedenen Positionen im Vertrieb bei SaaS-Firmen tätig, unter anderem für Dropbox und Absolventa.
Christoph Jost
Managing Partner von FLEX Capital
Christoph Jost ist Serienunternehmer und Co-Founder von FLEX Capital. Er hat unter anderem die Online-Jobbörse Absolventa gegründet und zum Marktführer in Deutschland aufgebaut. Auch die Online-Listing-Gruppe Passion 4 Gästezimmer hat er entwickelt. Beide Unternehmungen verkaufte er später erfolgreich an die FUNKE Mediengruppe.
Mit einer Expansion in den US-Markt haben viele Unternehmen schon Millionen verbrannt. Nicht so Sellics. Mark Reich hat als Vertriebsleiter den Höhenflug des Unternehmens auf der anderen Seite des Atlantiks geleitet. Im Interview mit Christoph Jost teilt Mark seine Learnings. Er erklärt, wann der richtige Zeitpunkt für eine solche Expansion gekommen ist, wie er bei der Standortwahl in den USA vorgegangen ist und welche Kriterien Top-Vertriebler aus seiner Sicht erfüllen müssen.

Mark, mit Sellics ist es euch gelungen, als zunächst rein deutsches Unternehmen ein signifikantes US-Geschäft aufzubauen. Was war euer Schlüssel zum Erfolg, was sind eure Learnings, die du Gründern mit ähnlichen Plänen mitgeben kannst?

Mark: Sellics wurde 2015 gegründet. In der Zeit haben ein paar grundlegende Faktoren den Eintritt in die USA begünstigt. Der wichtigste: Es gab noch keine etablierten Player. Deswegen gab es für uns früh erste Anzeichen, dass wir uns in den USA durchsetzen können. Es gibt ja immer zwei Ansätze: Push und Pull. In unserem Fall war es ein klarer Pull, der aus dem Markt kam. Wir hatten früh eine starke Marketing Inbound Engine aufgebaut und haben in verschiedenen Märkten experimentiert. Dabei haben wir gesehen, dass es in den USA eine Nachfrage gibt und konnten diese Erkenntnis früh in unsere Produkt-DNA einbeziehen, unsere Website entsprechend ausrichten und den Firmennamen international wählen. Nach wenigen Jahren war klar, dass die USA mindestens genauso viel Umsatz generieren werden wie die europäischen Märkte.

Wir hatten früh eine starke Marketing Inbound Engine aufgebaut und haben in verschiedenen Märkten experimentiert. Dabei haben wir gesehen, dass es in den USA eine Nachfrage gibt (…). Nach wenigen Jahren war klar, dass die USA mindestens genauso viel Umsatz generieren werden wie die europäischen Märkte.

Ihr wart eine ganze Weile aus Deutschland heraus im US-Markt aktiv, bevor ihr euer Office in den Staaten eröffnet habt.

Mark: Bei einer Pull-Strategie ist es durchaus sinnvoll, zunächst aus der Zentrale heraus zu sehen, ob die bisherige Sales Motion auch in dem Markt funktioniert, in den man gehen will. Wir haben deswegen erst einmal in Berlin einige englischsprachige Vertriebsmitarbeiter eingestellt, die zu den US-Zeiten gearbeitet haben. Das hat für die ersten 100.000 in ARR gut funktioniert. Im Bereich Enterprise oder Public Sector ist es aus meiner Sicht allerdings sehr schwierig. Da muss man viel früher mit Leuten vor Ort sein. Aber mit einem SaaS-Produkt für KMU und auch mit anderen Produkten, kann man auch erstmal aus Deutschland heraus Erfahrungen sammeln. Gerade wenn man noch keine Erfahrungen im Zielmarkt hat, kann man so leichter herausfinden, welcher Standort der richtige ist und das Investment besser fundieren.

Wann war für euch der Punkt gekommen, in die USA zu gehen und was habt ihr dann vor Ort gelernt?

Mark: Die Entscheidung fiel, als wir gesehen haben, dass wir in den USA ein Kundensegment erreichen, in dem es einen Unterschied macht, ob wir vor Ort sind. Wir haben Traction nicht mehr nur von ganz kleinen Unternehmen, sondern auch mittleren Unternehmen gesehen. Das war für uns der Zeitpunkt, zu investieren. Die Präsenz vor Ort hat auch tatsächlich einen großen Impact gehabt.

Du warst zu Beginn selbst einige Zeit in eurem Office in New York. Warum war euch das wichtig und warum habt ihr euch für New York, einen sehr teuren Standort, entschieden?

Mark: Ja, als Vertriebsleiter war ich am Anfang viel in den USA, genauso wie unser CEO. Wir haben mit unseren Bestandskunden dort über unsere Ziele für den US-Markt gesprochen und sie gefragt: Was brauchen wir dafür? Was ist eure Meinung zu Marketing und Vertrieb? Wir haben Interviews geführt und sehr detailliertes Feedback bekommen. Und wir haben mit Consultants und Freelancern gearbeitet, die Erfahrung in der Branche hatten und die Eigenheiten der verschiedenen Städte und Märkte kannten. Das kann man second hand recherchieren, aber mein Eindruck ist, dass die persönlichen Insights hilfreicher sind. Durch die Kunden und Consultants hatten wir einige Kriterien für unseren Standort.

Für New York haben wir uns letztlich aus zwei Gründen entschieden. Zum einen wegen der Direktflüge aus Berlin, zum anderen wegen des Zugangs zu Talenten, die schon Ähnliches gemacht haben. Auch die Infrastruktur ist sehr ausgeprägt. Es gibt viele Dienstleister für Recruiting, Admin etc., die man braucht, wenn man ein Team vor Ort hat. Ja, man zahlt im Vergleich mehr, als würde man den Markt aus Deutschland managen, aber man gewinnt auch Geschwindigkeit.

Wir haben mit unseren Bestandskunden dort über unsere Ziele für den US-Markt gesprochen und sie gefragt: Was brauchen wir dafür? Was ist eure Meinung zu Marketing und Vertrieb? Wir haben Interviews geführt und sehr detailliertes Feedback bekommen.

Du hast jetzt sowohl in Berlin als auch in den USA Vertriebsteams aufgebaut. Welche Unterschiede sind dir dabei aufgefallen? Bist du anders an den Einstellungsprozess und das Teambuilding herangegangen?

Mark: Ich habe für neue Mitarbeiter Kriterien, die relativ universell für den Softwarebereich gelten. Du brauchst Leute, die Neugier und Lernfähigkeit mitbringen und anpassungsfähig sind. Davon bin ich auch in den USA nicht abgerückt. Was wegen des Remote Offices anders war: Ich habe erfahrene Mitarbeiter gesucht, die eigenständig agieren können. Unser Management vor Ort kann zum Beispiel abschätzen, welche Gehälter wir zahlen müssen, wie der Hiring-Prozess ablaufen muss. Als wir die erste Riege der Erfahrenen eingestellt hatten, konnten sie auch Berufseinsteiger anlernen. Das hätten wir aus Deutschland heraus nicht leisten können.

Über die US-Gehälter müssen wir nicht reden. Im New Yorker Vertrieb verdient jeder mehr als ein durchschnittlicher Vertriebsleiter in Deutschland, aber daran muss man sich gewöhnen und das muss man an anderer Stelle wieder reinholen.

Der Markt in den USA ist auch viel flexibler. Mitarbeiter kündigen und sind nach zwei Wochen weg, aber auch umgekehrt läuft es viel schneller. Wir haben unseren Hiring-Prozess deswegen auf zehn Tage beschleunigt. Das hat extrem geholfen. In Deutschland werden die Prozesse jetzt auch schneller. Vor zwei, drei Jahren waren die Unterschiede zu den USA noch deutlich größer.

Ich habe erfahrene Mitarbeiter gesucht, die eigenständig agieren können. Unser Management vor Ort kann zum Beispiel abschätzen, welche Gehälter wir zahlen müssen, wie der Hiring-Prozess ablaufen muss.

Du hast dich nach der Uni bewusst für das Thema Sales entschieden und bist bis heute mit großer Leidenschaft dabei. Was macht für dich die Faszination von Sales aus?

Mark: Nach dem Studium war mein primäres Interesse, zu gründen. In meinem Start-up war ich dann mehr zufällig für die Kundenseite verantwortlich, wir haben die Verantwortlichkeiten unter uns Co-Foundern aufgeteilt. Ich habe dann schnell gesehen, wie viel Potenzial im Bereich Sales steckt. Gerade für die SaaS-Branche ist der Vertrieb ein kritischer Erfolgsfaktor und in Deutschland gab es wenig technologieorientiertes Wissen in dem Bereich. Also habe ich mich spezialisiert, um Skills mitzubringen, die so am Markt noch nicht vorhanden sind.

Außerdem gefällt mir beim Vertrieb die Verbindung von Art und Science. Heutzutage ist Sales sehr Tool-orientiert, aber am Ende managst du ein Team von 30, 50 oder mehr Menschen und machst Deals mit Kunden. Da kommt der Art-Faktor ins Spiel. Daten und Tools nützen wenig, wenn vor dir ein Mensch sitzt, der aus einem 100.000 Euro-Vertrag aussteigen will. Diese Verbindung aus Psychologie und Strategie macht Vertrieb immer wieder spannend.

Christoph: Was ich aus unserer Perspektive bei FLEX Capital ergänzen würde: Du musst für Sales mit Druck umgehen können. Gerade in der wachstumssüchtigen Startup-Szene gehen Investoren schnell zum CEO, der dann direkt zum Head Sales weiterleitet, und fordern mehr Umsatz. Wenn dein Team nicht liefert, hat diese Firma ein Riesenproblem. Für Sales richtig smarte Leute zu haben, die differenziert denken, macht einen ganz großen Unterschied für ein Unternehmen. Leider gibt es im Vertrieb viele Menschen, die mehr aus der Not heraus in den Bereich geraten sind, weil sie in ihrer Wunschkarriere gescheitert sind, und wenige, die sich bewusst für Sales entschieden haben.

Mark: Ich hatte in meiner Uni-Zeit wenige Berührungspunkte mit dem Thema Vertrieb, obwohl das Thema heute strategisch sehr wichtig ist für Start-ups. In den USA gehen viel mehr Uniabsolventen direkt in den Vertrieb. In Deutschland ist das noch selten und es gibt immer noch eine große Lücke an Sales-Talenten. Ich glaube, wenn sich mehr SaaS-Unternehmen erfolgreich etablieren, wird der Karriereweg attraktiver. Man müsste mehr Erfolgsstories verbreiten, eine größere Nähe zu Ausbildungsstätten herstellen und auch in der Startup-Community ein größeres Augenmerk auf das Thema legen.

Daten und Tools nützen wenig, wenn vor dir ein Mensch sitzt, der aus einem 100.000 Euro-Vertrag aussteigen will. Diese Verbindung aus Psychologie und Strategie macht Vertrieb immer wieder spannend.

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*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.