Wie hast du das Team bei Nitrado aufgebaut?
Peter Waleczek: Als wir bei Nitrado eingestiegen sind, gab es bereits einige Kennzahlen, aber die waren noch recht rudimentär. Nach unserem Einstieg haben wir beschlossen, gezielt in den Bereich Business Intelligence (BI) zu investieren. Du hast das BI-Team aufgebaut hat. Was hast du vorgefunden und wie bist du vorgegangen? Was waren deine ersten Ziele?
Dominik Braun: Zu Beginn trifft man auf eine gewachsene Struktur, in der vieles nicht sauber dokumentiert ist. Die erste Aufgabe war daher, einen Überblick zu bekommen: Welche Daten gibt es, woher kommen sie, und warum sehen sie so aus? Dann haben wir ein Team aufgebaut – anfangs waren wir vier Personen: zwei Data Engineers, ein Data Analyst und ich. Unser Fokus lag auf dem Aufbau einer BI-Infrastruktur, da vorher kaum etwas vorhanden war. Vieles war auf das operative Geschäft ausgelegt, ohne Gedanken an langfristige Analysen oder historische Daten. Also haben wir die Grundlagen gelegt, um sauber modellierte Daten nutzen zu können.
Wie hat sich das BI-Team und eure Arbeit über die Zeit entwickelt?
Peter Waleczek: Wie hat sich das BI-Team und eure Arbeit über die Zeit entwickelt, besonders im letzten Jahr?
Dominik Braun: Das Arbeiten mit Daten ist ein fortlaufender Prozess, bei dem das Data Modeling nie wirklich aufhört. Es gibt ständig neue Datenpunkte, die in das Modell integriert werden können. Die Datenmenge in einem Unternehmen ist riesig, und je tiefer man gräbt, desto mehr Potenzial entdeckt man.
In den ersten sechs Monaten stand der Teamaufbau und die Schaffung einer grundlegenden BI-Infrastruktur im Mittelpunkt. Wir mussten sicherstellen, dass die notwendigen Systeme vorhanden sind, um Daten zu sammeln, zu verarbeiten und zu analysieren.
Ab dem siebten Monat bis etwa zum 24. Monat haben wir uns intensiv darauf konzentriert, die vorhandenen Daten zu verstehen. Dies beinhaltete Data Cleaning, Qualitätskontrollen und eine enge Zusammenarbeit mit Stakeholdern, um zu erkennen, wie die Daten entstehen und welche Bedeutung sie haben. Parallel dazu haben wir kontinuierlich Adhoc-Analysen durchgeführt, um von Anfang an einen Mehrwert zu erzeugen und zu lernen, wie die Daten am besten verknüpft und interpretiert werden sollten, um die Bedürfnisse des Unternehmens optimal zu erfüllen.
Das Ergebnis ist eine solide Datenbasis, die uns detailliertes Finance Reporting und granulare Analysen ermöglicht. Nach zwei bis zweieinhalb Jahren haben wir einen Meilenstein erreicht, indem wir eine Zeitreihe aufgebaut haben, die tiefgehende Analysen bis zum Firmenstart von Nitrado und Apex zurückreicht.
Um die Größe und das Ausmaß dieser 1,5 Jahre besser greifbar zu machen: Unsere größte Tabelle, die das zentrale Datenmodell enthält, umfasst alle bisher definierten relevanten Informationen in 140 Spalten. Grundlage dieser Tabelle sind 150 Quelltabellen, die wir laden und verarbeiten. Die Tabelle ist über 500 GB bzw. 0,5 TB groß und enthält aktuell etwa 120 Milliarden Datenpunkte.
Jetzt liegt der Fokus darauf, diese Daten und Modelle effektiv im Unternehmen zu nutzen, begleitet von einem Change-Management, das die Art und Weise verändert, wie die Leute mit den Daten arbeiten. Wir haben eine Gruppe von 35 Data Leads identifiziert, mit denen wir intensiv zusammenarbeiten, um ihre Entscheidungen durch unsere Analysen zu unterstützen.
Kannst du ein konkretes Beispiel nennen, wo eure Arbeit einen Unterschied gemacht hat?
Peter Waleczek: Kannst du ein konkretes Beispiel nennen, wo eure Arbeit einen Unterschied gemacht hat?
Dominik Braun: Ein gutes Beispiel sind die KPIs „Churn Rate“ und „Customer Lifetime Value“. Diese Kennzahlen gab es vorher nicht. Jetzt können wir detailliert analysieren, wie sich Kunden für verschiedene Spiele verhalten haben, ob Veränderungen marktgetrieben sind oder durch unsere Produktentscheidungen beeinflusst wurden. Diese tiefgehenden Analysen waren vorher nicht möglich.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern aus? Zieht das Unternehmen mittlerweile aktiv BI ein?
Peter Waleczek: Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern aus? Zieht das Unternehmen mittlerweile aktiv BI ein?
Dominik Braun: Wir arbeiten eng mit Finance, Product und Marketing zusammen. Diese Bereiche fragen regelmäßig nach Informationen und Analysen. Andere Stakeholder sind noch dabei, sich an die neuen Daten und Möglichkeiten zu gewöhnen. Wir führen sie langsam heran, indem wir regelmäßig neue Dashboards vorstellen und erklären, wie sie genutzt werden können. Ein zentraler Teil unserer aktuellen Arbeit besteht darin, alte Gewohnheiten und Denkmuster aufzubrechen, sodass die Stakeholder verstehen, welchen Vorteil sie haben, wenn sie auf eine gemeinsame, saubere und sehr detaillierte Datengrundlage mit historischer Perspektive zugreifen, anstatt nur weiterhin mit operativen Snapshot-Daten zu arbeiten.
Ihr habt euer Team von vier auf sechs Personen erweitert. Wo habt ihr investiert und warum?
Peter Waleczek: Ihr habt euer Team von vier auf sechs Personen erweitert. Wo habt ihr investiert und warum?
Dominik Braun: Der Schritt von der Grundlagenarbeit hin zu mehr Sichtbarkeit und Nutzung der Daten war entscheidend. Neben einem weiteren Data Analyst haben wir jemanden eingestellt, der sich ausschließlich um das Erstellen und Weiterentwickeln von Dashboards kümmert. Diese Rolle hilft uns, die Ergebnisse unserer Arbeit besser ins Unternehmen zu tragen und spezielle Anforderungen der verschiedenen Abteilungen zu erfüllen.
Ist es wirklich notwendig, ein großes Team für BI aufzubauen, oder kann man auch kleiner starten?
Peter Waleczek: Für ein mittelständisches Unternehmen könnte das nach einem großen Investment klingen. Ist es notwendig, so ein großes Team aufzubauen, oder kann man auch kleiner anfangen?
Dominik Braun: Man kann den Aufbau einer BI-Funktion durchaus mit einem kleinen Team beginnen, sogar als One- oder Two-Man-Show. Die Frage ist jedoch, wie schnell man Ergebnisse sehen möchte. In einem Unternehmen gibt es viele komplexe Daten, deren Aufbereitung viel Zeit in Anspruch nimmt. Je mehr Ressourcen man hat, desto schneller geht es. Wenn man zu wenig investiert, besteht die Gefahr, dass sich Projekte über Jahre hinziehen, ohne wirklich abgeschlossen zu werden.
Deshalb ist es wichtig, von Anfang an klare Ziele zu definieren. Bei uns war der Finanzprozess der Ausgangspunkt. Wir wollten ein sauberes Finance Reporting aufsetzen, dass auch tiefgehende Analysen ermöglicht. Dieser Fokus half uns, den Aufbau unserer BI-Funktion zu steuern. Es ist entscheidend, ein klares Ziel vor Augen zu haben und darauf aufzubauen, um schrittweise sinnvolle Erweiterungen vorzunehmen und das Unternehmen voranzubringen.
Wie kann ein Unternehmen, das noch keine BI-Funktion hat, den Einstieg finden?
Peter Waleczek: Wie kann ein Unternehmen, das noch keine BI-Funktion hat, den Einstieg finden?
Dominik Braun: Wenn im Unternehmen jemand datenaffin ist und bereits in früheren Jobs mit Daten gearbeitet hat, kann das ein guter Startpunkt sein. Bereiche wie Performance Marketing oder Finance bringen oft zwangsläufig den Umgang mit Daten mit sich. Solche Mitarbeiter gezielt in Business Intelligence einzubinden, kann der erste Schritt sein.
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass BI ein Thema auf Firmenebene ist und nur seine volle Wirkung entfalten kann, wenn Daten aus allen Bereichen verknüpft werden. Mit Daten- und Informationssilos in einzelnen Abteilungen wird es schwierig, den vollen Nutzen zu erzielen. Ein genereller Zugang zu Daten, Informationen und eine unternehmensweite Zusammenarbeit sind daher unerlässlich, auch wenn sich viele Unternehmen damit anfangs schwertun.
Der erste und wichtigste Schritt ist, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Daten und BI zu schaffen. Danach kann entschieden werden, ob das Thema intern angegangen oder externe Hilfe hinzugezogen wird. Interne Mitarbeiter kennen bereits die Infrastruktur und Prozesse, was den Aufbau einer BI-Abteilung beschleunigen kann, wenn die notwendigen Fähigkeiten vorhanden sind. Wichtig ist, dass jemand das Thema strategisch und operativ führt, der weiß, was er tut. Andernfalls kann es schnell zu Chaos führen, das am Ende mehr Zeit kostet, um es wieder zu ordnen.
Bei uns treiben wir das Thema BI als Team voran, holen uns jedoch ständig Experten aus den Fachbereichen hinzu, um Projekte voranzutreiben und spezifische Themen zu besprechen. Für bestimmte Projekte erweitern wir den Kreis, und mein Ziel ist es, dass sich irgendwann die gesamte Firma als Teil des BI-Themas sieht. Jeder kann etwas beitragen – sei es durch die sorgfältige Erfassung von Daten oder durch die Nutzung der daraus resultierenden Insights.
Du hast die Infrastruktur erwähnt. Was braucht man als Grundsetup, und wie hoch sind die Investitionskosten?
Peter Waleczek: Du hast die Infrastruktur erwähnt. Was braucht man als Grundsetup, und wie hoch sind die Investitionskosten?
Dominik Braun: Dank Cloud-Lösungen kann man heutzutage schnell und kostengünstig eine BI-Infrastruktur aufbauen. Anfangskosten entstehen hauptsächlich für das Team, nicht für die Infrastruktur. Ich empfehle, mit einer Cloud-Lösung zu starten, weil sie flexibel und skalierbar ist. Wir nutzen zum Beispiel Azure als Cloud-Lösung und Databricks mit seinem modernen Data Lakehouse-Ansatz als zentrale Technologie für alle unsere BI-Prozesse. Diese Kombination bietet viele Vorteile, darunter bessere Performance und Kostenkontrolle.
Welche Tools nutzt ihr für die Datenvisualisierung?
Peter Waleczek: Welche Tools nutzt ihr für die Datenvisualisierung?
Dominik Braun: Für Dashboards nutzen wir Tableau, das direkt an unsere Azure-Infrastruktur angeschlossen ist. Ad-hoc-Analysen führen wir hauptsächlich in Databricks durch, liefern und visualisieren die Ergebnisse jedoch teilweise in Google Sheets, da dies oft schneller geht, als direkt ein Tableau-Dashboard zu erstellen. Diese Ad-hoc-Analysen entwickeln sich dann häufig zu neuen Dashboards und Modellen.
Viele Unternehmen verknüpfen BI schon mit AI. Wie siehst du die Zukunft dieser Kombination?
Peter Waleczek: Viele Unternehmen verknüpfen BI schon mit AI. Wie siehst du die Zukunft dieser Kombination?
Dominik Braun: Ich glaube nicht, dass wir jemals an den Punkt kommen, an dem Data Analysts überflüssig werden oder niemand mehr benötigt wird, der fundierte Entscheidungen auf Basis von Daten trifft. Die Vorstellung, dass KI diese Aufgaben vollständig übernehmen könnte, halte ich für unrealistisch. KI kann zwar Prozesse unterstützen und vereinfachen, aber sie wird menschliche Expertise nicht ersetzen.
Ein gutes Beispiel ist die Anomalieerkennung. In einem Unternehmen gibt es Hunderte von Daten-Dimensionen, die in unzähligen Kombinationen betrachtet werden können, was zu Tausenden von möglichen Ansichten führt. Kein Mensch kann all diese Perspektiven gleichzeitig überblicken. Hier kann KI helfen, indem sie Muster und Abweichungen erkennt, die sonst vielleicht unentdeckt bleiben würden.
Beispielsweise könnte KI darauf hinweisen, dass ein Umsatzrückgang mit einer Kürzung des Marketingbudgets korreliert. Während Fachleute solche Anomalien in ihren Bereichen wahrnehmen könnten, ist das Gesamtbild oft schwer zu erfassen. KI kann also nicht nur auf Probleme, sondern auch auf Chancen hinweisen, die ohne ihre Unterstützung möglicherweise übersehen würden.
Peter Waleczek: Macht ihr das schon heute oder plant ihr, das in Zukunft einzubauen?
Dominik Braun: Wir sind gerade dabei, Dashboards zu bauen, die Anomalien erkennen können. Der nächste Schritt wird sein, diese Anomalien in ein Alerting-System zu integrieren, das uns sagt, worauf wir besonders achten sollten. Das wird wahrscheinlich bis Ende des Jahres ein Thema für uns sein.
Ist BI der Schlüssel zu optimalen Unternehmensentscheidungen, oder gibt es Aspekte, die BI nicht abdecken kann?
Peter Walezcek: Ist BI der Schlüssel zu optimalen Unternehmensentscheidungen, oder gibt es Aspekte, die BI nicht abdecken kann?
Dominik Braun: BI ist ein mächtiges Werkzeug und kann definitiv dazu beitragen, Entscheidungen fundierter und präziser zu treffen. Es minimiert die Anzahl der rückblickend suboptimalen Entscheidungen und ermöglicht es Unternehmen, auf Basis von Daten bessere Entscheidungen zu treffen. Allerdings ist BI kein Allheilmittel und auch kein Garant für immer richtige Entscheidungen.
Es gibt Aspekte, die BI nicht vollständig abdecken kann, insbesondere wenn es um strategische Entscheidungen geht, bei denen „unternehmerische Intuition“ und das Abwägen von Chancen und Risiken eine große Rolle spielen. Während BI in Bereichen wie Performance Marketing sehr effektiv sein kann, wo man stark datengetrieben arbeiten kann, erfordert es in anderen Bereichen weiterhin menschliches Urteilsvermögen.
Deshalb plädiere ich dafür, dass Unternehmen „dateninformiert“ arbeiten sollten, statt sich rein auf Daten zu verlassen. BI sollte als Werkzeug gesehen werden, das Führungskräften hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen, aber es ersetzt nicht die Notwendigkeit, komplexe Entscheidungen mit Erfahrung und Intuition zu ergänzen. Unsere BI-Mission bei Nitrado spiegelt genau diese Balance wider: „Connecting the dots to provide actionable insights, empower data-informed decision making, and drive the data-inspired transformation in the organization.“
Peter Waleczek: Vielen Dank für deine Zeit und deine Insights, Dominik.