Investitionen aus Investorensicht

Experten Interview
Inhalt
Jan Becker
Founding Partner von FLEX Capital und 10xFounders
Jan Becker ist Unternehmer und Experte im Bereich KPI-Management. Er hat viele Jahre als Geschäftsführer verschiedenen Unternehmungen, unter anderem FriendScout24, vorgestanden und in über 100 Firmen investiert. Neben der 10xFounders ist Jan Becker Mitbegründer und Partner von FLEX Capital.
Peter Waleczek
Managing Partner von FLEX Capital
Peter Waleczek ist Unternehmer und Experte für Strategieentwicklung, Financial Management und anorganisches Wachstum. Bei FLEX Capital arbeitet er vorwiegend im Portfolio mit der Marbis Gruppe (Nitrado, Apex, MCProHosting) und der OMS Gruppe (Formware, Rasterpunkt und docuguide) zusammen.

Worauf achten erfolgreiche UnternehmerInnen, bevor sie investieren? Im Gespräch mit FLEX Managing Partner Peter Waleczek verrät Jan Becker, Mitbegründer und Partner von FLEX Capital und der 10xFounders, worauf es ankommt, wenn man in Firmen des MitTECHstands investieren möchte und welche Rolle er als Investor einnimmt.

Hallo Jan, schön, dass du heute hier bist und dir die Zeit für dieses Gespräch nimmst. Bitte sei so nett und stelle dich zu Beginn kurz vor. Wer bist du und was hast du gemacht?

Jan: Ich bin Jan Becker und einer der Partner von FLEX Capital. Zu Beginn meiner Karriere habe ich bei Lycos gearbeitet – eine der ersten und damals sehr bedeutenden Suchmaschinen-Marken. Ich arbeitete bei Scout24 im Business Development und wurde CEO von FriendScout bis ich mich im Jahr 2007 mit der ersten Firma selbstständig gemacht habe. Seitdem habe ich zwei weitere Firmen gegründet und gemeinsam mit Christoph Jost und Peter Waleczek FLEX Capital aufgebaut. Darüber hinaus gründete ich den Fonds 10xFounders, der in Frühphasen Startups investiert.

Nebenbei hast du erfolgreich investiert und konntest dabei viele nationale und internationale Firmen begleiten, die in einer frühen Phase skaliert wurden. Worauf achtest du bei Firmen des MitTECHstands, die in den Skalierungsphasen stecken?

Jan: Man sollte die verschiedenen Phasen unterscheiden. In der frühen Phase ist eine sehr hohe Iterationsgeschwindigkeit wichtig. Das bedeutet konkret: Ausprobieren und testen und nah am Kunden dran sein, um zu verstehen, wo dessen Probleme liegen und sie anschließend lösen. Der Product Market Fit und die Problemlösung sollten so gut sein, dass der Kunde bereit ist, dafür zu zahlen. Leider ist das bei jungen Firmen häufiger nicht der Fall.

Anschließend geht es in die eigentliche Skalierungsphase. In dieser Phase kommt es darauf an, die unterschiedlichen Marketingkanäle zu testen und zu verstehen, welche von ihnen effizient, also kostengünstig und schnell skalierbar sind. An dieser Stelle gibt es große Unterschiede, insbesondere zwischen B2C und B2B Startups. Um die Marketingkanäle miteinander vergleichen und skalieren zu können, ist es wichtig, zügig auszuprobieren, erneut zu iterieren, Landingpages zu verändern und diese Prozesse ganz genau zu messen. Nicht immer sind die einzelnen Kanäle – beispielsweise LinkedIn, Facebook, PR und offline Kampagnen – gut miteinander zu vergleichen, doch genau das ist wichtig.

Eine weitere Herausforderung, die ich bei Gründenden beobachten konnte, ist, die richtigen Leute zu finden und dies erfolgreich in die Firma zu integrieren.

In der Skalierungsphase kommt es darauf an, die unterschiedlichen Marketingkanäle zu testen und zu verstehen, welche von ihnen effizient, also kostengünstig und schnell skalierbar sind.

Auf welche KPIs und Bereiche achtest du, wenn du unterschiedliche Geschäftsmodelle evaluierst?

Jan: In erster Linie schaue ich mir die Unit Economics an. Das bedeutet, pro zahlendem Kunden betrachte ich, wie groß dessen Lifetime Value ist. Diese Betrachtung segmentiere ich anschließend nach unterschiedlichen Kundengruppen oder nach unterschiedlichen Vertriebskanälen. Dieses Vorgehen lässt sich zum Beispiel gut im mobilen Bereich anwenden. Ein iPhone Nutzer hat beispielsweise einen höheren erwarteten Kundenwert als ein Android Nutzer. Je nach Alterskategorie verändert sich dieser Wert. Im B2B-Bereich kommt es auf die jeweilige Firmengröße an, wie hoch der Wert eines Kunden ist.

Zweitens schaue ich mir an, wie sich die Kundenakquisitionskosten in den unterschiedlichen Kanälen verhalten, um dann zu entscheiden, an welcher Stelle das Geld am besten allokiert werden kann. Das Thema Churn spielt hier eine wichtige Rolle. Wenn die Churn-Raten reduziert werden, steigt der erwartete Lifetime Value eines Kunden und idealerweise gibt es ein Umsatzwachstum. Das heißt, pro neuem Kunden verdiene ich jährlich immer mehr, weil ich neue Funktionalitäten im Produkt live schalten kann. Zusammengefasst lässt sich sagen: Es ist ein gutes Zeichen, wenn sich die Unit Economics über die Kohorten-Sicht verbessern.

In erster Linie schaue ich mir die Unit Economics an. Anschließend schaue ich mir an, wie sich die Kundenakquisitionskosten in den unterschiedlichen Kanälen verhalten.

Was sind für dich aus Unternehmersicht gute Qualitätsmerkmale eines Kunden? In welchem Verhältnis sollten Kunden-Akquisitionskosten zum Customer Lifetime Value stehen? Was sind für dich erstklassige Churn-Raten?

Jan: Die Antworten auf diese Fragen kann ich nicht verallgemeinern, da sie sehr vom jeweiligen Geschäftsmodell abhängen. Es gibt Geschäftsmodelle im B2B-Bereich, die intrinsischen Churn haben. Wenn man beispielsweise ein Dating Portal aufbaut, dann ist das Ziel der Geschäftsidee, die Kunden zusammenzubringen und dass sie sich anschließend abmelden. Man hat also den Kundennutzen erfolgreich geschaffen und das Produktversprechen erfüllt. Dieses Vorgehen führt zu natürlichem Churn.

Biete ich wiederum eine Finanz-Software als SaaS Modell an, die tief in die Strukturen der Firma implementiert ist, dann erwarte ich, dass die Churn-Rate deutlich niedriger ist. Das Verhältnis von Kundenakquisitionskosten zu erwartetem Lifetime Value sollte größer als drei sein, idealerweise eher im Bereich von fünf.

Daneben spielt der Zeitraum, den man jeweils braucht, um die Kundenakquisitionskosten zurückzuverdienen, eine wichtige Rolle. Wenn ich es als Unternehmer schaffe, innerhalb eines Monats das Geld zurückzuverdienen, habe ich einen deutlich niedrigen Cashflow Bedarf, als wenn ich es erst schaffe, nach zwei Jahren meine Kundenakquisitionskosten zurückzuverdienen und dann erst in den darauffolgenden vier Jahren den entsprechenden Umsatz mache.
Ab welcher Firmengröße ergibt es aus deiner Sicht Sinn, die Position eines Springers einzuführen? Wie sollte diese Rolle gestaltet sein?

Jan: Ich selbst war damals Gesellschafter eines Unternehmens, in welchem ich die Rolle eines Springers innehatte. Dadurch hatte ich eine objektive Perspektive auf alle Geschäftsprozesse. Häufig ist es so, dass die Gründenden in den ganz frühen Phasen einer Unternehmung sowieso als Springer fungieren. Besteht an einer Stelle ein Problem, springt einer der GründerInnen ein – man kann das auch als eine Zusammenarbeit von spezialisierten Allroundern bezeichnen. Selbstverständlich gibt es die jeweiligen Spezialfunktionen der jeweiligen Personen. Nichtsdestotrotz denke ich, dass dieses abteilungsübergreifende Denken wertvoll ist.

Die richtige Phase für die Einführung der Springer-Position ist also zu Beginn der Unternehmung, sobald die GründerInnen bzw. das leitende Management beginnen, sich zu spezialisieren und ein gewisses Silo-Denken aufkommt. Die ganzheitliche Perspektive auf die Aktivitäten der Unternehmung darf nicht verloren gehen und das lässt sich oft nur erreichen, wenn eine ausgewählte Person – der oder die Springerin – völlig unemotional und unpolitisch auf die unterschiedlichen, abteilungsübergreifenden Projekte der Firma schaut. Normalerweise ist das die Aufgabe des COOs oder des CEOs. Die sind oftmals aber bereits so tief in die Prozesse eingebunden und werden aufgrund ihrer Funktion innerhalb der Unternehmung als politisch betrachtet, dass sie nicht als Springer fungieren können.

Die richtige Phase für die Einführung der Springer-Position ist zu Beginn der Unternehmung, sobald die GründerInnen bzw. das leitende Management beginnen, sich zu spezialisieren und ein gewisses Silo-Denken aufkommt.

Das heißt, ab 50 oder 100 Mitarbeitenden würdest du über die Einführung der Rolle des Springers nachdenken?

Jan: Das halte ich für eine gute Größe.

Worauf achtest du außerdem, bevor du eine Investition tätigst?

Jan: Das hängt davon ab, in welcher Phase sich die Unternehmung befindet. Was ich persönlich spannend und reizvoll finde: Wenn ich sehe, dass bei einer Firma ein sehr guter Product Market Fit vorhanden ist, also wenn klar erkennbar ist, dass die Kunden das Produkt lieben. Das zeigt sich häufig in hohen Konvertierungsraten und in niedrigen Churn-Raten.

Wenn es das unternehmerische Team zusätzlich geschafft hat, eine tolle Firmenkultur zu etablieren, das heißt, gemeinsame Werte vertreten werden und alle gleiche Ziele verfolgen, finde ich das als Investor großartig. Dies kann nämlich in späteren Phasen für den Investor von Vorteil sein, insbesondere wenn noch nicht alle Wachstumshebel genutzt wurden und noch nicht alle Prozesse komplett durch optimiert wurden.

Es ist mir persönlich wichtig, wenn ich als Investor feststelle, dass ich mit meinem unternehmerischen Know-how weiterhelfen kann und die Unternehmung nach vorne bringen kann. Anders ausgedrückt: Kaufe ich einen komplett durch optimierten Ferrari, dann ist der Mehrwert, den ich als Investor zusätzlich bringe, nicht mehr ganz so hoch.

Peter: Wunderbar. Danke für deine Zeit und das Interview.


Jan: Vielen Dank Peter. Ich habe mich gefreut, mit dir zu sprechen.

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*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.