Frauen in der Internetwirtschaft: „Da steht einfach ein hochqualifiziertes Arbeitskräftepotential zur Verfügung.“

Experten Interview
Inhalt
Dr. Regina Buhr
Senior Beraterin bei VDI/VDE Innovation + Technik GmbH
Dr. Regina Buhr beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren u.a. mit Themen rund um Gender- und Diversity in der Arbeitswelt. Nach ihrer Promotion an der TU Berlin arbeitete sie als Wissenschaftlerin im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und seit 2001 als Projektleiterin und Senior Beraterin im Institut für Innovation und Technik (iit), einer Einrichtung der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH (VDI/VDE-IT). Ihr liegt insbesondere die gerechte Verteilung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze am Herzen.
Peter Waleczek
Managing Partner von FLEX Capital
Peter Waleczek ist Unternehmer und Experte für Strategieentwicklung und Financial Management bei FLEX Capital. Er war viele Jahre Unternehmensberater bei McKinsey, baute das Beratungsunternehmen Clevis und den Onlineshop Herrenschmiede auf. 2018 gründete er mit seinen Partnern FLEX Capital.

Frau Dr. Buhr, vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen, um mit mir über ein sehr interessantes Thema zu sprechen. Sie sind Mitverfasserin der Studie „Rahmen- und Arbeitsbedingungen für Frauen in der Internetwirtschaft“. Was ist Ihr Hintergrund? Wie sind Sie zu dem Thema gekommen?

Frau Dr. Buhr: Ich arbeite seit mehr als 30 Jahren zum Thema Frauen und Arbeit, Geschlechterverhältnisse im Beruf und in der Gesellschaft, und zwar vorzugsweise mit Bezug auf technische Berufe und technische Arbeitswelten. Das hat mich immer sehr interessiert und da war es eigentlich ganz folgerichtig, dass ich mitarbeitete, als das iit (Institut für Innovation und Technik in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH) von eco, dem Verband der Internetwirtschaft, mit einer Studie zu den Rahmen- und Arbeitsbedingungen für Frauen in der Internetwirtschaft beauftragt wurde.

Nachdem ich viele Jahre in der Wissenschaft tätig war, bin ich seit 2001 als Wissenschaftlerin und Projektleiterin bei der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH u.a. beim dortigen Institut für Innovation und Technik (iit). Der VDI (Verein Deutscher Ingenieure e.V.) und der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e.V.) sind unsere Gesellschafter. Das iit ist eine Einheit der VDI/VDE IT und dort sind vor allem die Projekte angesiedelt, die Studien und Forschungsthemen beinhalten.

Das iit ist so zu sagen eine Art Think Tank in unserer Organisation. Die dort angesiedelten Studien machen mir einfach viel Spaß. Ich habe in diesem Rahmen schon diverse Projekte zu Frauen und Technik geleitet.

Außerdem, da mir das wirklich ein Herzensanliegen ist, bin ich auch engagiert im Kompetenzzentrum Technik Diversity Chancengleichheit. Dort geht es auch um Mädchen und Frauen im MINT-Bereich. Also, wie gesagt, das Thema liegt mir insgesamt sehr am Herzen, seit so vielen Jahren und ich habe mich gefreut, dass ich da mitarbeiten konnte, zusammen mit Prof. Wittpahl und Peggy Kelterborn. Das war ganz toll.

Peter Waleczek: Das ist schön.

Dr. Regina Buhr: Zu der Studie muss man sagen, dass es sich um eine Kurzstudie handelt. Wir haben das Thema nur mal antippen können, weil es nicht viel Material gibt. Es ist ein Forschungsfeld, was wirklich noch erschlossen werden sollte, aber die Studie ist immerhin ein Einstieg in das Thema.

Peter Waleczek: Ich finde das auch. Wie gesagt, das Thema beschäftigt mich persönlich. Auch weil wir bei FLEX Capital sehr auf Diversität bedacht sind und uns Gedanken machen, wie wir diese Diversität herstellen können. In der Einleitung Ihrer Studie steht auch ganz klar: Wer im Wettstreit um Talente bestehen will, der sollte als Unternehmen nach einer Zielgruppe besonders Ausschau halten und das sind eben die weiblichen Fach- und Führungskräfte.

Können Sie die Gründe dafür nennen, wieso man insbesondere nach weiblichen Fach- und Führungskräften Ausschau halten sollte?

Dr. Regina Buhr: In der Studie geht es vorzugsweise um die Internetbranche. Aber das gilt nicht nur hier, denn die Internetbranche ist letztlich nicht mehr so klar einzugrenzen. Tätigkeiten, die ursprünglich mit der Internetbranche assoziiert wurden, diffundieren mittlerweile in andere Branchen hinein. Wir haben trotzdem versucht, uns auf die Internetbranche zu konzentrieren, um das Thema handhabbar zu gestalten.

Zu den Gründen, weshalb nach den weiblichen Fach- und Führungskräften Ausschau gehalten werden soll, will ich drei nennen:

Es gibt schlicht und ergreifend einen Fachkräftemangel. Unternehmen können es sich einfach nicht mehr erlauben, bei der Personalrekrutierung auf einem Auge blind zu sein und ein hochrelevantes Potenzial an Arbeitskräften zu ignorieren.

Wir haben die Situation, dass wir eine Generation von hochqualifizierten jungen Frauen haben. Also wenn man mal guckt, wie sich der Anteil der Abiturientinnen in den letzten Jahren verändert hat, dann sieht man: da haben die jungen Frauen den Anteil der jungen Männer, die ein Abitur machen, seit einigen Jahren überholt und das mit steigender Tendenz. Ich habe nochmal nachgeguckt. Beispielsweise in NRW haben wir jetzt im Jahr 2021 bei dem Abiturjahrgang 55,1 % Abiturientinnen. Da steht einfach ein hochqualifiziertes Arbeitskräftepotential zur Verfügung und das können und sollten Unternehmen nicht einfach ignorieren.

Dann gibt es zudem immer mehr Erfahrungsberichte und auch wissenschaftliche Studien, die aussagen, dass geschlechtergemischte Teams zu kreativeren Lösungen kommen und effizienter arbeiten als homogen zusammengesetzte Gruppen. Insofern kann man sagen, dass Frauen, dass Diversität einen Erfolgsfaktor in Teams darstellen und auch einen Erfolgsfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Das sind, denke ich, Gründe genug, weshalb Unternehmen dort mal genauer hingucken sollen. Dies gilt insbesondere für die eher klein- und mittelständisch geprägten Unternehmen der Internetbranche. Die großen Unternehmen haben dies schon seit längerem erkannt.

Dann gibt es zudem immer mehr Erfahrungsberichte und auch wissenschaftliche Studien, die aussagen, dass geschlechtergemischte Teams zu kreativeren Lösungen kommen und effizienter arbeiten als homogen zusammengesetzte Gruppen. Insofern kann man sagen, dass Frauen, dass Diversität einen Erfolgsfaktor in Teams darstellen und auch einen Erfolgsfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Peter Waleczek: Das hört sich ja fast schon so an, als ob die Lösung der Probleme auf der Hand liegt, so wie Sie es beschreiben. Sie geben in Ihrer Studie ganz konkrete Handlungsempfehlungen bezogen auf die Internetbranche für die Handlungsfelder Führungskräfteentwicklung, Organisationskultur, Personalrekrutierung, Personaleinarbeitung und Personalbindung. Es wird unter anderem speziell ein Diverstäts-Training für Unternehmen genannt.

Wie sehen solche Diversitäts-Trainings aus und woher weiß man, dass sowas für das eigene Unternehmen relevant ist?

Dr. Regina Buhr: Was mir wichtig ist, sind Führungskräfte und damit meinen wir nicht nur die obersten Ebenen. Denn Führungskräfte gibt es eigentlich auf allen Ebenen. Wir haben doch oft die Situation, dass in Projekten gearbeitet wird. Und dass damit jede/r Projektleiter/in in gewisser Weise auch Führungskraft ist und insofern plädiere ich für ein erweitertes Verständnis.

Peter Waleczek: So würde ich das auch definieren.

Was mir wichtig ist, sind Führungskräfte und damit meinen wir nicht nur die obersten Ebenen. Denn Führungskräfte gibt es eigentlich auf allen Ebenen.

Dr. Regina Buhr: Was klar ist: Führungskräften kommt eine Schlüsselrolle in dieser Entwicklung zu. Eine geschlechter- und diversitätsorientierte Vorgehensweise bei der Team- und Projektleitung erfordert Kompetenzen, die nicht in den üblichen Bildungs- und Studienangeboten Bestandteil sind.

Es ist komplizierter, ein heterogenes Team aus zu führen. Hier gibt es viele Meinungen, es sind unterschiedliche Lebensarten, Altersgruppen – also das zusammenzuhalten ist nochmal eine andere Aufgabe, als wenn alle gleicher Meinung sind und man sich gegenseitig bestätigt. Da muss man nicht viel diskutieren. Aber bei einer Vielfalt ist das schon eine andere Sache.

Diese Diversitätstrainings, die ich als einen wichtigen Lösungsansatz empfehle, vermitteln beispielsweise gendersensible Kommunikationsformen, also beispielsweise Wortmeldungen gerecht anzunehmen. Es gibt Kommunikationsstile zwischen Männern und Frauen, die sich unterscheiden. Da ist die Aufgabe einer Führungsperson, darauf zu achten, dass alle Beiträge gehört werden.

Zur geschlechter- und diversitätsorientierten Führungskultur gehört auch eine entsprechende Kompetenz bei der Personalauswahl. Dass ich da auch aufmerksam bin und nicht wieder die Person nehme, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit ins Team passt, sondern auch auf Vielfalt achte. Und das ist wirklich nicht trivial.

Es gehört auch dazu, dass ich als Führungskraft in der Lage sein muss, mich in die unterschiedlichen Perspektiven und Sichtweisen der Teammitglieder einzudenken, um diese herauszukitzeln zum Wohle des Projekterfolges.

Aber ich bin ein optimistischer Mensch und denke, das ist kein Hexenwerk. Das kann erlernt werden. Und dabei helfen Diversitätstraining. Und die gibt es auch als Online- Angebote. Onlinekurse sind in den letzten Monaten durch die Pandemie angestiegen und haben sich bewährt. Es ist für Unternehmen keine Schwierigkeit, solche Einheiten anzubieten und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zugänglich zu machen. Das kann man auch von zu Hause machen und es funktioniert.

Peter Waleczek: Wir haben jetzt das Thema Führungskräfte beleuchtet. Ziemlich nah dran ist die Organisationskultur. Hier haben Sie gezeigt, dass sich die Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten zum Beispiel durch flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, Teilzeit, Eltern- und andere Auszeiten ohne Karrierebrüche auszeichnet.

Wieso ist die Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten so wichtig und wie kann man Unternehmen die Angst vor der Flexibilität nehmen?

Dr. Regina Buhr: Diese Sache mit der Angst kann ich nicht so richtig nachvollziehen. Es ist doch so, dass vor der Pandemie gerade aus den Unternehmen der Ruf nach Flexibilität kam. Dann war es eher so, dass die Arbeitnehmerseite gesagt hat „Stopp, so viel Flexibilität wollen wir nicht“, „das muss alles gut strukturiert sein“ und „die Arbeitszeiten müssen abrechenbar sein“. Und deshalb kann ich das mit den Ängsten so nicht nachvollziehen, weil das für mich nicht stimmig ist. Haben Führungskräfte Angst, dass ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht genug arbeiten, wenn sie im Homeoffice sind?

Peter Waleczek: Ich glaube, für mich persönlich muss ich sagen, dass ich vor der Pandemie auch eher skeptischer war. Da geht es gar nicht um die reine Arbeitszeit, sondern wir sind ja auch ein kleines mittelständisches Unternehmen, wo dann genau diese Kultur verloren geht. Wenn man zusammen in einem Raum sitzt, sich auf dem Flur trifft, der Kaffee an der Kaffeemaschine, da passiert ja auch viel Kommunikationsaustausch und man bekommt ein Gefühl für das Unternehmen, vor allem neue MitarbeiterInnen. Wir haben in der Pandemie auch neue MitarbeiterInnen eingestellt und die haben das erste halbe Jahr kaum jemanden gesehen. Und ich glaube, das ist eher die Angst. Weniger das Arbeitsergebnis, sondern dass das kulturelle Arbeitsleben und der Spaßfaktor verloren gehen.

Wenn man zusammen in einem Raum sitzt, sich auf dem Flur trifft, der Kaffee an der Kaffeemaschine, da passiert ja auch viel Kommunikationsaustausch und man bekommt ein Gefühl für das Unternehmen, vor allem neue MitarbeiterInnen.

Dr. Regina Buhr: Wenn Sie das so in diesem Sinne meinen, ist das nachvollziehbar. Wir sind auch ein mittelständisches Unternehmen. Wir haben die gleichen Fragen, die uns umtreiben: Wie schaffen wir es, dieses Wir-Gefühl beizubehalten oder wiederherzustellen? Das ist schon eine Herausforderung an die Führungsebene.

Ich möchte noch auf den Punkt Wertschätzung eingehen. Wertschätzung von Vielfalt. Da sagt die Organisationskulturforschung, Organisationskultur gibt es einmal auf der Werteebene, aber dann auch auf der ganz konkreten praktischen Ebene von Struktur und Prozessen.

Man kann da ja wunderbar über Wertschätzung reden, aber es darf eben nicht beim Reden bleiben, sondern wir brauchen in den Unternehmen dann auch die entsprechenden Strukturen und Prozesse.

Und dazu gehören dann beispielsweise flexible Arbeitszeiten; dass bei den Teammeetings darauf geachtet wird, dass sie nicht in den Abendstunden stattfinden. Es geht darum, eine Unternehmenskultur zu etablieren und zu leben, die auch private Aufgaben wertschätzt.

Peter Waleczek: Ja das ist auf jeden Fall eine Mindset-Aufgabe und ein sehr interessanter Punkt. Nächstes Thema: Personalrekrutierung für uns aktuell das relevanteste Thema, da wir weitaus mehr männliche als weibliche Bewerbungen bekommen, auch bei direkter Ansprache.

Besonders spannend in Ihrer Studie war der Punkt, dass Stellenausschreibungen anders formuliert werden sollten, um Frauen anzusprechen. Können Sie darauf eingehen?

Dr. Regina Buhr: Das ist ein sehr interessanter Befund, die von Männern und Frauen unterschiedlichen Wahrnehmungen der in Stellenausschreibungen angeführten Anforderungen an eine zu besetzende Stelle. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen dazu neigen, Anforderungen viel selbstkritischer zu lesen als Männer und die in Ausschreibungen formulierten Erwartungen im Hinblick auf die eigene Person häufig als nicht leistbar bewerten und sich nicht bewerben.

Man sollte deshalb darauf achten, sachlich die fachlichen Anforderungen zu formulieren und dann aber auch auf überfachliche Kompetenzen eingehen, die für die Erfüllung der Aufgabe erforderlich sind. Es ist nun mal so, dass die Themen Kommunikation und „mit Menschen zu tun zu haben“, Aspekte sind, auf die Frauen Wert legen.

Wir haben das einmal in einer Untersuchung anhand eines Beispiels eines Studienganges, der ganz stark von Männern frequentiert wurde, untersucht. Die Anbieter wollten mehr Studienanfängerinnen und dann wurde der Studiengang umbenannt. Die sehr technische Bezeichnung wurde verändert und die Aspekte Gesundheit und Biologie wurden mit einbezogen. Es konnte dann tatsächlich den Anteil der Studentinnen gesteigert werden.

Man sollte deshalb darauf achten, sachlich die fachlichen Anforderungen zu formulieren und dann aber auch auf überfachliche Kompetenzen eingehen, die für die Erfüllung der Aufgabe erforderlich sind. Es ist nun mal so, dass die Themen Kommunikation und „mit Menschen zu tun zu haben“, Aspekte sind, auf die Frauen Wert legen.

Peter Waleczek: Wenn dieser Schritt geschafft ist und man tatsächlich ein Talent für sich begeistert hat, dann sollte man einen guten Start ermöglichen, also das Thema Personaleinarbeitung und -bindung. Hier wird von Ihnen das Instrument Mentoring durch interne weibliche Rollenvorbilder oder externe weibliche Vorbilder aus anderen Technik-Netzwerken genannt.

Wie sieht so eine Mentor-Mentee-Beziehung idealerweise aus?

Dr. Regina Buhr: Vielleicht noch kurz einen Sprung zurück zum Personalrekrutierung: Die Unternehmensdarstellung. Die spielt bei der Bewerbung auch eine wichtige Rolle. Ich habe das spaßeshalber auch mal bei Ihnen, bei FLEX gemacht und wenn ich mich jetzt bei Ihnen bewerben wollte und ich gehe auf die Startseite, dann sehe ich erstmal nur Männer. Ok, dann gehe ich weiter und bei „Wer wir sind“ kommen dann auch Frauen. Aber allein das Startbild vermittelt den Eindruck eines männlich dominierten Unternehmens. Das sind Punkte, die schon im Vorfeld für eine Bewerberin ein Bild vermitteln, das Wirkung zeigt.

Um auf die Frage zurückzukommen: Schon in den Bewerbungsgesprächen sollte man schauen, dass nicht nur männliche Gesprächspartner beim Gespräch dabei sind, sondern auch eine weibliche Betriebsangehörige dabei ist. Das ist praktische, gelebte Vielfalt.

Um auf das Instrument Mentoring zu kommen: Das ist nicht neu. Das gab es schon im alten Griechenland und die Nutzung dieses Instrumentes, dass man eine erfahrene Person in einem Unternehmen mit einer jungen Person, die neu einstiegt, zusammenbringt, hat sich sehr bewährt. Beim klassischen Mentoring in Form von Einzel-Mentoring leitet eine erfahrene Person als Mentorin eine weniger erfahrene Person als Mentee an. Beide Personen gehören dabei dem gleichen Unternehmen an. Es gibt aber auch andere Mentoring-Formen. Beispielweise das so genannte Cross- Mentoring, wo man mit anderen Unternehmen Partnerschaften eingeht. Oder auch die Möglichkeit des E-Mentoring, welches einen elektronisch vermittelten Mentorin- Mentee-Austausch beinhaltet.In unserer Studie haben wir weitere Beispiele angeführt und Hinweise wie man das machen kann.

Peter Waleczek: Zum Abschluss noch zwei kontroverse Fragen. Ein gesellschaftlicher Diskurs ist sicher richtig und wichtig, um nachhaltig eine Veränderung des Status quo herbeizuführen. An einigen Stellen ist mein persönliches Empfinden, dass hier sehr stark polarisiert wird und dadurch erst Konflikte generiert werden.

Wo sehen Sie Gefahren und wie können wir diese umschiffen?

Dr. Regina Buhr: Wenn Sie von Konflikten sprechen und das letzte halbe Jahr ansprechen, meinen Sie die Diskussion um das dritte Geschlecht?

Peter Waleczek: Nicht unbedingt. Vielleicht kommt meine Einschätzung auch eher aus dem privaten Umfeld, da wird ein Konflikt erzeugt. Diese Unterscheidung zwischen Mann und Frau.

Dr. Regina Buhr: Wir sind ja eigentlich schon weiter, weil wir von Diversität sprechen, nicht mehr nur von Mann und Frau. Auch wenn die Zielgruppe Frauen gerade im Hinblick auf technische Arbeitswelten quantitativ und qualitativ nach wie vor eine große Rolle spielt und trotz zahlreicher Programme immer noch Nachholbedarf besteht, wenn es um eine stärkere Einbindung von Frauen geht. Da hat sich leider immer noch nicht so viel verändert, wie wir uns das wünschen würden.

Ich sehe dennoch auch positive Entwicklungen. Die CDU redet über Quoten, das war vor Jahren undenkbar. Insofern hat sich schon etwas verändert. Und klar, Veränderungen sind mit Konflikten verbunden. Es gibt immer welche, die Ängste haben und die das Bestehende erhalten wollen. Und das sind nicht nur Männer. Aus meiner Sicht ist es hilfreich, sich auf den Aspekt Vielfalt/Diversity zu konzentrieren und die Chancen, die darin stecken zu benennen und von dem Thema Geschlechterpolarität abzusehen.

Ich kann mich nur wiederholen und auf die Chancen diversitätsorientierter Unternehmenspolitik hinweisen. Genauso wie eine Gesellschaft davon profitiert, wenn alle Mitglieder gleichberechtigt in die Gestaltung eingebunden werden, genauso profitiert auch ein Unternehmen davon.

Sie sprechen von Gefahren, die umschifft werden müssen. Was ist denn gefährlich daran, wenn Frauen gutbezahlte Berufe ausüben und nachher eine auskömmliche Rente haben? Was ist gefährlich daran, wenn Männer als Erzieher oder in der Grundschule arbeiten und die Kinder nicht nur weibliche Bezugspersonen haben? Oder die Veränderung von starren Arbeitszeiten? Was ist daran gefährlich? Auch Väter wollen im steigenden Maße mehr Zeit mit ihren Kindern erbringen.

Ich kann mich nur wiederholen und auf die Chancen diversitätsorientierter Unternehmenspolitik hinweisen. Genauso wie eine Gesellschaft davon profitiert, wenn alle Mitglieder gleichberechtigt in die Gestaltung eingebunden werden, genauso profitiert auch ein Unternehmen davon.

Peter Waleczek: Also gesellschaftlich verstehe ich das Zielbild, ich habe selber auch zwei kleine Töchter, mit denen ich Zeit verbringen will. Wir bei FLEX wollen mehr tun, um die Diversität zu steigern, auf allen Ebenen. So haben wir beispielsweise ein spezielles Karriere-Event für junge Akademikerinnen ins Leben gerufen.

Sehen sie die Gefahr, dass es hier zu einer aktiven Benachteiligung männlicher Bewerber kommen kann?

Dr. Regina Buhr: Auf jeden Fall gibt es Verteilungskämpfe. Dass das für einige bitter sein dürfte, denke ich.

Wichtig ist aus meiner Sicht deutlich zu machen, weshalb es z.B. solcher speziellen Karriere-Events bedarf. FLEX hat dafür ja gute Gründe. Diese müssen transparent und nachvollziehbar kommuniziert werden. Die Schaffung von Fronten zwischen den unterschiedlichen Gruppen, Männern und Frauen, Jungen und Alten, etc. kann nicht im Interesse innovativer und lebenswerter Arbeits- und Unternehmenswelten sein.

Peter Waleczek: Ich verstehe das. Wahrscheinlich kommen wir am Ende trotzdem nicht zu einem Ergebnis und so eine Antwort ist natürlich unbefriedigend. All das, was Sie sagen, dieses Umfeld zu schaffen, diese Chancengleichheit zu schaffen, darum geht es. Und ich sehe die Grundgesamtheit der Kandidaten bei Bewerbungen ist ja schon ungefähr 50/50 Männer und Frauen in den Studiengängen, aber die Bewerberzahl bei uns ist eben 80/20, dann stimmt doch da was nicht. Dann sprechen wir Leute in den Stellenbeschreibungen falsch an, posten auf den falschen Kanälen.

Aber sobald diese Chancengleichheit in der Grundgesamtheit geschaffen ist, sollten objektive Kriterien zählen. Da zählt dann Leistung, Führungs- und Fachkompetenz und man muss gewichten. Das ist heute nicht unbedingt mehr der Unterschied Mann und Frau, sondern eher vielleicht wie bei uns im Unternehmen Eltern und Nicht-Eltern und auf diese Bedürfnisse muss man eingehen.

Vielen Dank für das Gespräch, es war sehr spannend. Mal schauen, wie es weitergeht in der Forschung.

Aber sobald diese Chancengleichheit in der Grundgesamtheit geschaffen ist, sollten objektive Kriterien zählen. Da zählt dann Leistung, Führungs- und Fachkompetenz und man muss gewichten.

Dr. Regina Buhr: Ich danke Ihnen und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Und schauen Sie sich Ihre Website an, vielleicht ändern Sie da was.

Peter Waleczek: Da haben Sie Recht, aber wir können auch nicht verleugnen, dass wir 6 Gründer waren. Aber es ist ein guter Hinweis. Vielen Dank.

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