Ab welchem Cash Out sind GründerInnen nicht mehr „hungrig“?

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„Ich will reich werden.“ – das sagen in Deutschland nur die wenigsten GründerInnen öffentlich, wenn man sie fragt, was sie antreibt. Wer Geld als Motivator nennt, riskiert seinen guten Ruf. Also hört man: „Geld? Das spielt doch wirklich keine Rolle.“ Wenn UnternehmerInnen sich doch trauen zu sagen, dass ihnen Geld wichtig ist, folgt regelmäßig eine altruistische Begründung auf dem Fuß: „Das Geld möchte ich nicht für mich, sondern v.a. um über Angel Investments der Start-up-Szene was zurückzugeben.“

Anders in den USA: Dort ist es sozial akzeptiert, viel Geld verdienen zu wollen. UnternehmerInnen sprechen offen über ihre Erfolge und die Öffentlichkeit feiert sie dafür. Konkrete Zahlen zu nennen, darum drücken sich die meisten UnternehmerInnen in Deutschland herum – eindrucksvoll zu hören z.B. im OMR Podcast mit Philipp Westermeyer, der immer beharrlich nachfragt, aber meist nur ausweichende Antworten bekommt.

Dass Geld aber auch für deutsche GründerInnen ein zentraler Motivationsfaktor ist, legt die fortlaufende Diskussion um Teil-Exists nahe. Entlang der Frage, ab welchem Cash Out eine Unternehmerin oder ein Unternehmer nicht mehr motiviert ist, alles für die Firma zu geben, scheiden sich die Geister.

LinkedIn-Umfrage: Ab welchem Cash Out sind GründerInnen nicht mehr hungrig? 

Als ich 2008 in Berlin meine erste Firma Absolventa gegründet habe, war es undenkbar, als Gründer und CEO in Finanzierungsrunden über einen Secondary selbst Geld vom Tisch zu nehmen. Das hat sich in den Folgejahren etwas aufgeweicht: Entnahmen im unteren sechsstelligen Bereich waren ok, darüber hinaus war es weiterhin keine realistische Option.

Ich habe neulich auf LinkedIn eine Umfrage gemacht: Dabei skizzierte ich den fiktiven Fall einer 30 Millionen Wachstumsfinanzierungsrunde und stellte die Frage: Ab welchem Betrag, den GründerInnen für sich selbst herausnehmen, gelten sie nicht mehr als „hungrig“? 192 Personen aus meinem Netzwerk haben geantwortet – überwiegend UnternehmerInnen und InvestorInnen.

Das Ergebnis: Rund zwei Drittel der Befragten glauben, dass GründerInnen bei einem persönlichen Cash Out von unter 1 Million Euro noch hungrig bleiben. 22 Prozent meinen, dass dies auch bei einer Summe von bis zu 3 Millionen der Fall ist. Nur für 13 Prozent gilt dies auch bei bis zu 6 Millionen Euro.
Aus Gesprächen mit erfahrenen M&A-BeraterInnen für Finanzierungsrunden dieser Art weiß ich, dass in der Praxis zwischen 1 und 2 Millionen Euro Cash Out zu sehen sind.

Teil-Exits und Cash Outs bei FLEX Capital

Bei FLEX Capital fokussieren wir uns auf Mehrheitsbeteiligungen im deutschsprachigen Internet- und Softwaremarkt. Wir investieren in wachsende Unternehmen ab 5 Millionen Euro Umsatz und ab 1 Million Euro EBITDA und das mit Eigenkapitaltickets von bis zu 25 Millionen Euro aus dem Fund. Oftmals folgen uns darüber hinaus Co-InvestorInnen und Banken oder Debt-Funds. Für die GründerInnen erhöht das den Exit-Preis weiter.

Da wir besonders gerne mit UnternehmerInnen arbeiten, die ihre Firma im sogenannten Bootstrapping-Modus aufgebaut haben, also ohne oder mit nur wenig externem Kapital, halten die GründerInnen zum Zeitpunkt des mehrheitlichen Verkaufs noch sehr viele Anteile. Der Cash Out fällt dementsprechend hoch aus. 

Die UnternehmerInnen weiter an die Firma zu binden, um sie gemeinsam großzumachen, ist ein wesentlicher Aspekt unserer Investmentstrategie. Entsprechend intensiv haben wir über den Zusammenhang zwischen Motivation und Geld nachgedacht und thematisieren das sehr offen mit den UnternehmerInnen unserer Portfolio-Firmen. 

Geldgier? Was GründerInnen wirklich motiviert  

Natürlich ist es nicht möglich, alle GründerInnen über einen Kamm zu scheren. Dennoch meine ich im Laufe der vergangenen Jahre einige wiederkehrende Motivationen erkannt zu haben.  

GründerInnen treibt meist eine starke Vision an. Außerdem wollen sie mit einer Aufgabe, die sie erfüllt, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten und – natürlich – finanzielle Erfolge erzielen.  

Geld ist ein zentraler Motivator, aber die GründerInnen streben es in der Regel nicht an, weil sie einem verschwenderischen Lebensstil frönen wollen. Den sprichwörtlichen Ferrari nach dem Exit kaufen sich tatsächlich die wenigsten, auch wenn sie davon in ihrer Jugend einmal geträumt haben. Wenn überhaupt, fällt die privat genutzte Immobilie ein bisschen größer aus und es geht nicht mehr ins 4- sondern ins 5-Sterne-Hotel.  Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel – bei der großen Mehrheit ändert sich der persönliche Lebensstil nicht.

Warum Geld trotzdem eine zentrale Rolle spielt? Weil es in UnternehmerInnenkreisen die akzeptierte Währung für Erfolg ist. Erfolg, den man gegenüber der eigenen Familie, den Freunden und nicht zuletzt sich selbst beweisen will. Am Ende ist Geld auch ein Instrument, um den eigenen Erfolg vergleichbar zu machen. „Warum hat der andere Unternehmer für seine Leistung so viel mehr erlöst als ich? Ich habe doch mindestens genauso gut abgeliefert?“ Anerkennung ist meist der eigentliche Treiber hinter dem Wunsch nach hohen Gewinnen und Cash Outs, weniger die Gier nach mehr Konsum.

Wie InvestorInnen und GründerInnen zusammenkommen

Wollen InvestorInnen nach ihrem Einstieg noch auf die zentrale Mitwirkung der GründerInnen-GeschäftsführerInnen zählen, müssen sie sich im Klaren sein, dass sie ihnen einen finanziellen Anreiz bieten müssen. 

Welche Summe das sicherstellt, ergibt sich aus unserer Erfahrung bei FLEX Capital aus dem Verhältnis von bisher für die GründerInnen realisiertem Cash bei Investor-Einstieg und dem in Zukunft noch erzielbaren Cash. 

Ein Beispiel: Wenn eine Gründerin bei Investor-Einstieg 1 Million Euro vom Tisch nimmt und in den nächsten zwei Jahren realistischerweise noch einmal 500.000 Euro möglich sind, dann ist 1 Million Cash Out zu viel. Denn die Gründerin wird nach der einen Million nicht mehr hungrig auf weitere 500.000 Euro sein. 

Wenn eine Gründerin hingegen 10 Millionen Euro in ihr Privatvermögen überführt und in den nächsten drei, vier Jahren weitere 40 Millionen Euro realistischerweise erlösbar sind, dann ist die Situation eine andere. Die Gründerin wird sich trotz des vergleichsweise hohen Cash Outs weiter in die Unternehmensführung reinknien, um sich die zusätzlichen 40 Millionen Euro zu sichern.

Fazit: Gefragt ist eine realistische Einschätzung 

Auf die Frage, ab welchem Cash Out GründerInnen ihren Hunger verlieren, lässt sich keine allgemeingültige Antwort geben. Klar ist allerdings, dass es mehr auf den relativen als den absoluten Betrag ankommt. 

Wer die Motivation des Gründenden nach dem Teil-Exit beurteilen will, sollte neben dem finanziellen Anreiz dessen individuelle Situation in den Blick nehmen: Wie wichtig ist ihr oder ihm die Unternehmensmission noch? Teilt sie oder er den zukünftigen Business-Case? Hat sie oder er genügend Durchhaltevermögen und Kraft für die nächsten gegebenenfalls anstrengenden Jahre? Wie ist die familiäre Situation? Erst aus dem Gesamtbild der Antworten lässt sich ableiten, wie engagiert die Gründerin oder der Gründer in Zukunft im Unternehmen mitarbeiten wird. Der Cash Out allein hat keine Aussagekraft.

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*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.