Commercial Due Diligence – worauf schauen InvestorInnen?

Inhalt
Bevor ein Investor/ eine Investorin ein Unternehmen kauft, steht meistens ein ausführlicher Verkaufsprozess an. Im Rahmen dieses Prozesses prüft der Investierende das Zielunternehmen in der sogenannten “due diligence” auf Herz- und Nieren. Neben der Beurteilung der finanziellen und rechtlichen Lage ist vor allem die “commercial due diligence” von zentraler Bedeutung. Hierbei wird untersucht, inwiefern das Unternehmen sich eine nachhaltige Position im Markt erarbeitet hat und welches Wachstumspotenzial für die Zukunft besteht. Als Analyst bei FLEX Capital habe ich in den vergangen zwei Jahren mehrere Hundert Unternehmen und Märkte untersucht und bewertet. Dabei haben sich im Bereich der “commercial due diligence” einige Schwerpunkte und Benchmark-Kennzahlen hervorgehoben, die für InvestorInnen von primärem Interesse sind. Dieser Blogbeitrag ist damit insbesondere für UnternehmerInnen interessant, die in Zukunft einen Unternehmensverkauf in Erwägung ziehen.

Commercial Due Diligence – die Checkliste aus der Sicht eines Investors/einer Investorin

Markt

  • Wie ist der Markt definiert, in dem sich das Zielunternehmen bewegt?
  • Wie groß ist dieser und welche Entwicklung lässt sich dafür hinsichtlich des Volumens und der Preise prognostizieren?
  • Welche Trends haben Einfluss auf die Marktentwicklung – steht womöglich eine Disruption bevor?
In der Sektion zum Markt wird nicht das Zielunternehmen an sich, sondern das gesamte “Spielfeld” in Blick genommen, auf dem es sich bewegt. Von großer Bedeutung ist für Investierende hier die Frage nach der Reife des Marktes: Kann man von weiterem Wachstum ausgehen (“blue ocean”) oder kämpfen die existierenden WettbewerberInnen um Anteile von einem gleichbleibendem Stück Kuchen (“red ocean”)?

Wettbewerb

  • Wie strukturiert sich die Wettbewerbslandschaft im Markt?
  • Entlang welcher Merkmale differenzieren sich die existierenden WettbewerberInnen?
  • Welche Dynamiken, zum Beispiel Übernahmen und Konsolidierung, sind entlang der Wertschöpfungskette beobachtbar?
In der Analyse des Wettbewerbs geht es zum einen um die “Makrosicht”, also wie viele WettbewerberInnen in welchen Größenordnungen existieren. Nischenmärkte werden oft von wenigen spezialisierten AnbieterInnen bedient, wohingegen sich die Anbieterlandschaft in Massenmärkten aus wenigen großen Firmen und einem sehr langen “long tail” an kleinen Firmen zusammensetzt. Zum anderen geht es um die “Mikrosicht”, bei der die MitbewerberInnen anhand von konkreten Kriterien wie Preis, Produktfeatures und Kundenzufriedenheit verglichen und dem Zielunternehmen gegenübergestellt werden.

Zielunternehmen

  • Welches Wachstum konnte das Unternehmen in der Vergangenheit erreichen?
  • Welche Beiträge zu Umsatz und Gewinn liefern die verschiedenen Produkte?
  • Wie ist das Unternehmen organisatorisch aufgestellt?
In der Betrachtung des Zielunternehmens steht der Fokus zunächst auf dem historischen Wachstum und den damit verbunden Produkten. Gerade bei Softwareunternehmen ist auch die Klassifizierung des Umsatzes nach Herkunft (Lizenzen, Wartung und Implementierung) gängig. Um einen Eindruck zu bekommen, ob das Unternehmen profitabel wächst, bietet es sich an, die “rule of 40” zu nutzen. Dabei werden das prozentuale Umsatzwachstum und die EBITDA-Marge addiert. Liegt der Wert über 40%, hat das Unternehmen eine sehr gute Mischung aus Wachstum und Profitabilität erreicht. Bei bereits etablierten Unternehmen ist der Wert “40” allerdings schon eher hoch. Niedrigere Werte sollten daher nicht pauschal als Ausschlusskriterium gewertet werden. Von Bedeutung ist auch die Organisationsstruktur des Zielunternehmens – welche Aufgaben werden noch vom GründerInnenteam verantwortet und welche sind bereits an eine zweite Managementreihe delegiert?

Kunden und Kaufverhalten in der Commercial Due Diligence

  • Wie setzt sich die Kundenstruktur des Zielunternehmens zusammen?
  • Wie viele Neukunden werden üblicherweise gewonnen und wie viele gehen verloren?
  • Welche Faktoren beeinflussen maßgeblich die Kaufentscheidung?
In der Sektion zu den Kunden geht es zunächst darum, mögliche Abhängigkeiten von Großkunden zu verstehen. Als Maß wird hierfür üblicherweise die Kundenkonzentration herangezogen, beispielsweise wie viel Prozent des Umsatzes mit den größten fünf Kunden erzielt wird. Weitere Analysen beschäftigen sich dann mit Bewegungen in der Kundenstruktur. Von besonderem Interesse für InvestorInnen ist im Softwarebereich der “churn”, das heißt wie viele Kunden das Zielunternehmen durch Kündigung von Kundenseite verliert. Nicht-finanzielle Kennzahlen, wie beispielsweise die Entwicklung der “churn-rate” der Kunden, sind von besonderem Interesse. Sie geben direkten Aufschluss darüber, wie sich der Umsatz in Zukunft entwickeln wird und ob das Produkt bestimmte Alleinstellungsmerkmale besitzt. Oftmals lassen sich hieraus auch Rückschlüsse darauf ziehen, wie geschäftskritisch das Produkt für den Kunden ist. Welche “churn-rate” für ein Unternehmen akzeptabel ist, hängt sehr davon ab, welche Produkte es anbietet und in welcher Wachstumsphase und Industrie es sich befindet. Die “churn-rate”, losgelöst von dem Unternehmen und Produkten auf Basis einer Zahl zu betrachten, macht daher keinen Sinn.

Business Plan, Werthebel und Risiken

  • Welches Wachstum plant das Management und wie realistisch sind die dahinterliegenden Annahmen?
  • Wie könnten weitergehende Werthebel organischer und anorganischer Natur zum Beispiel Zukäufe, aussehen?
  • Welche fundamentalen Risiken werden bei einer Investition in das Zielunternehmen eingegangen und wie kann man diesen entgegenwirken?
Nachdem die vorigen Sektionen sich vor allem mit der aktuellen Situation beschäftigt haben, geht es nun um die Frage des zukünftigen Entwicklungspotenzials des Zielunternehmens. Zunächst wird der vom Management des Zielunternehmens erstellte Businessplan auf seine Erreichbarkeit überprüft. Die historische Entwicklung des Unternehmens (siehe Kapitel Zielunternehmen) gibt hierfür oft gute Anhaltspunkte. Investoren betrachten an dieser Stelle auch zusätzliche strategische Optionen und analysieren beispielsweise, ob potenzielle Zukäufe produktseitig, komplementär und finanziell synergistisch durchgeführt werden können. Abgerundet wird das Kapitel häufig mit einer zusammenfassenden Betrachtung der größten Risiken, die in den vorherigen Kapiteln gefunden wurden.

Was bedeutet das für Unternehmer?

In der Hektik des Tagesgeschäfts fällt es UnternehmerInnen oft schwer, aus der Vogelperspektive heraus strategisch auf ihr Unternehmen zu blicken. Auch wenn kein Verkauf bevorsteht, können UnternehmerInnen die Kernanalysen der “commercial due diligence” verwenden, um entlang einer “Checkliste” Visibilität auf die strategische Positionierung ihres Unternehmens zu bekommen. UnternehmerInnen, die hingegen mittelfristig einen Verkauf anstreben, sollten sich frühzeitig damit beschäftigen, wie ein Investor/ eine Investorin ihr Unternehmen im Rahmen der “commercial due diligence” beurteilen wird. Auch wenn der angestrebte Zeitpunkt des Unternehmensverkaufes noch etwas ferner liegt, kann es sich lohnen, eine unabhängige Meinung direkt von Investorenseite einzuholen. Oftmals werden im Gespräch gemeinsam Themen identifiziert, die dann noch vor einem Verkauf angegangen werden können.
Beitrag teilen
Erhalten Sie innerhalb von zwei Werktagen eine indikative Bewertung Ihres Unternehmens.
Wir berechnen auf dieser Basis gerne einen indikativen Wert Ihres Software- oder Tech-Unternehmens. Für eine genauere Bewertung müssen wir im zweiten Schritt weitere sensible Daten erfragen, für die wir Ihnen vorab eine Vertraulichkeitsvereinbarung zukommen lassen.

*FLEX Capital ist ein Private-Equity-Buyout-Investor mit Spezialisierung auf den Softwaresektor. Wir verfügen über maßgebliche Expertise bei der Unternehmensbewertung in diesem Segment.